Kinderhilfe Nepal e.V.


Rundbrief Dezember, 2018

Liebe Freunde,

in der Hauptstadt Nepals verläuft das Leben völlig anders als in jeder anderen Metropole: Im Herbst trafen in Kathmandu die Staatsoberhäupter einiger großer asiatischen Länder ein. um über eine mögliche technische und ökonomische Kooperation zu sprechen. Von einem ähnlichen Ereignis im eigenen Land würden die Bürger anderer Nationen nur im Fernsehen erfahren. In Nepal jedoch mussten alle Bürger - und sogar die Touristen - ihren Teil leisten: Um den VIPs die Ankunft zu erleichtern wurden 400 Inlands- und 100 internationale Flüge annulliert und mehrere Krankenhäuser in Bereitschaft gestellt: Privatwagen Taxen und Busse hatten je nach gerader oder ungerader Nummer abwechselnd Fahrverbot, und sogar die Schulen wurden zwei tagelang geschlossen. Nur wegen dieses Treffens wurde das Leben der Millionenstadt Kathmandu völlig lahmgelegt!

Da die Nepalesische Rupie an die indische Rupie gekoppelt ist, hat sie innerhalb von ein paar Monaten dem Dollar gegenüber 23% ihres Wertes verloren. Nicht nur dass Investoren dem Land mehr als je zuvor fernbleiben, sondern auch die Großprojekte für den Aufbau der nationalen Infrastruktur und dem Wiederaufbau des Landes nach dem Erdbeben geraten in große Schwierigkeiten und viele stehen wegen der ständigen Preiserhöhungen plötzlich still. Trotz dieser unerfreulichen Situation schreitet die Entwicklung Nepals langsam fort. Fast jede Familie auch in den Slums von Kathmandu hat mindestens ein Mitglied, das sich unter schwierigen Lebensbedingungen in den Emiraten oder in Korea verdingt und sein mühsam erspartes Geld nach Hause schickt.

Abgesehen von sporadischen Hungersnöten in entfernten Regionen des Himalayas kann man sagen, dass die meisten nepalesischen Kinder nicht mehr hungern müssen. Aber gut ernährt sind sie auch nicht. "Dhal Bhat", Reis mit einer wässrigen Linsensuppe, bildet die Grundnahrung aller Nepalesen. Wohlhabendere essen zwar Gemüse und Fleisch dazu, aber die meisten Kinder bleiben unterernährt, weil die Nährwerte von Reis und zu wenig Gemüse nicht ausreichen, um ihnen ein normales Wachstum zu sichern. Das können wir bei unserer Arbeit in den Slums von Kathmandu deutlich feststellen. Die Ausgabe unseres mit allen nötigen Vitaminen und Mineralien angereicherten Milchbreis, den wir an etwas 400 Kinder verteilen, ist zwar sehr teuer geworden, bleibt aber bestimmt das Wichtigste an dem Beistand, den die Kinderhilfe Nepal in Kathmandu lesitet.

Ganz besonders im Slum von THAPATHALI kann man feststellen, wie viel bedeutsamer es für die Eltern ist, ihren Kindern Kleider zu kaufen, als sie als sie mit ausgewogenen Mahlzeiten zu versorgen. Es ist äußerst schwierig, sie zu überzeugen, dass insbesondere Reis nur ein Magenfüller ist, und dass ihre Ernährung völlig umgedacht werden sollte. Allerdings haben sie endlich verstanden, was das Trinkwasser, das wir an die 1500 Menschen ihrer Siedlung drei Mal wöchentlich liefern, für sie bedeutet, denn sie merken, dass nicht nur die Kinder sondern auch sie alle nicht mehr so häufig krank werden und sie weniger Geld für medizinische Kosten brauchen.

Der Slum von BANSHIGAT wurde auch in diesem Sommer von großen Überschwemmungen heimgesucht, aber alle Bewohner nehmen diese Unannehmlichkeiten in Kauf, weil sie woanders hohe Miete bezahlen müssten. Infolge des großen Bebens von 2015 und wegen der Erdlawinen, die jedes Jahr in der Monsunzeit ganze Dörfer verschlingen, hat sich die Einwohnerzahl dieses schon eng bebauten Slums fast verdoppelt. Durch unseren jahrelangen Einsatz im Kindergarten und im Gesundheitsposten, sind die Einwohner dieser übervölkerten Gemeinschaft sehr Hygiene bewusst geworden, und nur deshalb können Krankheiten vermieden werden. Anders als in Thapathali herrscht außerdem in diesem Slum eine echte Solidarität zwischen den Bewohnern. Gemeinschaftsgeist und Zusammenhalt sind im Lager unserer sesshaft gewordenen MAUTE Nomaden immer vorhanden.

Die meisten von ihnen gehen tagsüber betteln, andere verkaufen auf der Straße verschiedene Wundersalben und "medizinische" Öle an gutgläubige Menschen. Die Maute geben das am Tag erworbene Geld sofort abends fürs Essen aus: Abwechselnd gibt es nur Reis, oder man sieht sie regelrecht schlemmen, je nach dem. wie ertragreich der Tag war. Deshalb ist auch unser Milchbrei hier im Zeltlager von großer Bedeutung für die Kinder. Die viermonatige Regenzeit ist für unsere Mitarbeiterinnen Muna und Sushma, die täglich dort tätig sind, eine besonders schwere Zeit: Die Gemeinschaft haust dann in einem mit Kot und Abwasser gemischten Schlamm, dessen ekelerregender Geruch die Maute Leute jedoch überhaupt nicht stört.

Wie schon in anderen Infobriefen erwähnt, nimmt jetzt die nepalesische Regierung alle Hilfsvereine, die nach neuen Anordnungen arbeiten müssen, unter die Lupe. Es sind die nepalesischen "Schwesterorganisationen", die diesen Bestimmungen nicht folgen und dadurch das Bestehen internationaler Projekten gefährden: Bis vor fünf Monaten gingen unsere Maute Kinder mit anderen bedürftigen Kinder des Viertels kostenlos in eine von Koreanern geführte Schule, die die Kleinen sogar mit einem nahrhaften Essen pro Tag versorgte. Diese Schule wurde wie viele andere kleine Projekte bis auf weiteres geschlossen. weil sie den neuen Vorschriften nicht entsprachen.

Wir haben uns bemüht die Maute Kinder in anderen gebührenpflichtigen Schulen unterzubringen, aber alle haben sich geweigert, sie aufzunehmen, weil sie zu schmutzig und zu unbändig seien. Deshalb haben wir eine "Zeltschule" errichtet, in der Muna und Sushma sich morgens und nachmittags abwechseln und den Kindern nicht nur Lesen und Rechnen beibringen, sondern sie auch in Körperpflege und "Benehmen" unterweisen... Keine einfache Arbeit weil Disziplin für diese glücklichen Kinder ein echtes Fremdwort ist! Immerhin zeigen sie sich bemüht und lernwillig: Sie erschienen schon am zweiten Schultag etwas sauberer, weil sie wussten, dass sie sonst von den Lehrerinnen selbst am Eingang der Klasse gewaschen, oder direkt an die Wasserpumpe geschickt werden würden. Unsere "Maute Freunde" leben immer im Hier und Jetzt und sorgen sich nicht darüber, was morgen sein könnte. Sie werden zwar immer weiter aus dem Baustellengebiet verdrängt, an dem sie lagern, aber keiner würde sich darüber irgendwelche Gedanken machen!

In dem Dorf MUDHKU, wo wir nach der Katastrophe von 2015 zwanzig erdbebensichere Häuser gebaut haben, haben sich alle Einwohner sehr dankbar gezeigt, als einer unserer langjährigen Spender für die Kosten der Einrichtung einer zwei Kilometer langen Wasserleitung aufkam. Jetzt können alle 80 Häuser des Dorfes mit Wasser versorgt werden, und die Leute brauchen nicht mehr auf dem langen Weg Wassertöpfe zu tragen. Ihre jetzt würdigeren Lebensbedingungen beeinflussen die Gemeinschaft: Die Menschen von Mudkhu sind sich langsam bewusst geworden, dass der Boden ihres Dorfes von lauter Abfall bedeckt war und sie waren bereit, das Problem in Angriff zu nehmen. Wir haben sie mit Plastikbehältern versorgt damit sie erst einmal lernen, Plastik und Papier zu trennen, Papier wird jetzt verbrannt Plastik wird nach Kathmandu entsorgt. Es ist ein Lernprozess. der hier viel schneller geht als n den Slums der Hauptstadt, denn, auch wenn sie arm sind, leben die Dörfer auf ihrem eigenen kleinen Stück Land und sie sind daher eher bereit ihre Umgebung zu pflegen.

Wieder einmal danken wir Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung bei unserer Arbeit in Nepal und wünschen Ihnen schöne Weihnachten und ein gutes, gesundes neues Jahr

2019!

Elisabeth Montet