Kinderhilfe Nepal e.V.


Rundbrief Dezember, 2009

Liebe Freunde,

Auch in diesem Jahr brach der Winter in Nepal innerhalb von wenigen Tagen ein. Die Temperatur, die gegen Mittag auf 26 Grad steigt, stürzt nach Sonnenuntergang innerhalb von zwei Stunden auf 6 bis 0 Grad. Da die Hütten und Häuser keine Heizungsmöglichkeit haben, spürt man die Kälte bis tief in die Knochen. Wenn man die Nepalesen, die es sich leisteGVV7n könnten, fragt, warum sie ihre Häuser nicht heizen, antworten sie: "Der Winter dauert nur vier Monate, dann ist es ja wieder heiß!" Die Situation des Landes wird nicht besser. Die aktuelle Regierung besteht aus 22 Parteien, die sich bisher bis aufs Blut bekämpften, jetzt aber eine Koalition gegen die Maoisten gebildet haben. Trotzdem schafft es diese Regierung nicht, ohne die Ex-Rebellen irgendeine Politik durchzusetzen.

Gesandte des UN-Sicherheitsrates warnen vor einem neuen Bürgerkrieg. Ihre Meinung wird aber von allen politischen Richtungen im Land als Einmischung angesehen. Als würde sie ihre Existenz beweisen wollen, plant die Regierung, im November 10 Tage lang am Fuß des Mount-Everest-Gipfels in 5:500 m Höhe zu tagen. Die äußerst teure Aktion soll von Journalisten und Fernsehteams verfolgt werden, und mehrere Ärzte werden in dieser Zeit die 22 Parteichefs und Minister untersuchen und einen Bericht über den Aufenthalt eines "normalen", untrainierten Menschen in dieser Höhe schreiben.

Durch dieses Ereignis will die nepalesische Regierung die ganze Welt auf die Umweltschäden in der Himalajaregion aufmerksam machen... Währenddessen lebt das Volk weiter in bitterer Armut. Von den menschlicheren Traditionen der Gebirgskulturen ist im übervölkerten Tal von Kathmandu nichts mehr zu spüren. In dieser riesigen Dorf-Stadt herrscht die Gewalt. Es gibt täglich so viele Tote durch Verkehrsunfälle und auch Mord, dass die Versicherungen angekündigt haben, ihre Entschädigungen für den Verlust eines Erwachsenen von 15.000 € auf 5000 € zu senken. Der gewaltsame Tod eines Kindes würde dann nur noch 2.000 € einbringen, der Verlust eines Auges, eines Beines oder Arms je 2.500 €

Unter schwierigen Bedingungen arbeitet die Kinderhilfe Nepal weiter in im Slum von Bongshigat. Das Slumfrauenkomitee hat das Sagen in der ganzen Siedlung, weil die meisten Männer mit Trinken und Faulenzen beschäftigt sind. Bina, die Präsidentin des Komitees, arbeitet tagsüber ehrenamtlich in einer Frauenorganisation, die die Frauen aller Slums in Nepal unterstützt. Mit ihr gemeinsam besuchten wir den Slum von Pathivara, in dem wir uns 5 Jahre lang stark eingesetzt haben. Wir waren erfreut zu sehen, dass die von uns eingerichtete Schule erfolgreich weiterläuft. Allerdings werden die Lehrer nicht bezahlt und von der Leitung des Komitees dazu gezwungen, trotzdem weiterzuarbeiten.

Diese eigentlich unhaltbare Situation wird sich erst ändern, meint das Komitee, wenn die Schule offiziell anerkannt ist und damit staatliche Unterstützung erhält: Ein naiver Gedankensgang, denn in unmittelbarer Nähe an der kleinen Siedlung stehen jetzt sehr reiche Häuser und es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser Slum vom Staat zerstört wird. Alle unsere früheren Freunde kamen aus ihren Hütten, um uns zu begrüßen und uns zu bitten, sie weiter zu unterstützen. Dafür würden sie die aktuelle Slumleitung abwählen, meinten sie... Es fehlt ihnen unsere Unterstützung, und es war wirklich traurig zu beobachten, wie dünn und zerbrechlich die Kinder ohne unseren an Vitaminen und Mineralien reichen Brei geworden sind. Wir überlegen, ob wir nicht in nächster Zukunft mit der Verteilung der Nahrung in Pathivara wieder anfangen sollen und zahlen nach wie vor die Regierungsschule für 45 der größeren Kinder dieses Slums.

Unser Haupteinsatz liegt jetzt im Slum von Bongshighat. Ein bisschen Essen' hier und da zu verteilen, füllt zwar mehr Mägen, aber wir ziehen es vor, an einem einzigen Ort eine effizientere Arbeit zu leisten. Wir haben dieses Mal die 300 Kinder des Slums an einem Tag von vier Ärzten untersuchen lassen und sie alle mit Medikamenten versorgt. Da sie in der harten Winterkälte beinahe nackt vor uns standen, haben wir für 1000 Euro 300 Anoraks "Made in China" gekauft, die sie jetzt Tag und Nacht tragen.

Die meisten der 200 Mütter der Siedlung bringen ihre Kinder in ihren Hütten allein zur Welt und sind bis jetzt noch nie gynäkologisch untersucht worden. Um einen Check-up zu organisieren, brauchten wir eine ganze Woche, denn ein nepalesischer Arzt kommt genau so wie ein Maler oder ein Elektriker immer ohne Werkzeug zur Arbeit. Wir mussten sechs Spekulums kaufen, einen Sterilisator mieten und alle anderen Instrumenten und Desinfektionsmittel, die unserer Meinung nach notwendig sein würden, selbst herbeischaffen. In Nepal werden gynäkologische Untersuchungen auf einem ganz normalen Holztisch durchgeführt.

Mit viel Mühe fanden wir heraus, dass faltbare gynäkologische Stühle aus China in einem kleinen Laden Kathmandus zu kaufen waren. "Großzügig" wollten wir der Ärztin einen schenken, natürlich unter der Bedingung, dass sie ihn uns in Zukunft bei Bedarf ausleiht. Aber Frau Dr. Rajni lehnte erschrocken ab: Solche Stühle gäbe es nur in zwei Krankenhäusern der Hauptstadt und sie bräuchte ein solches Gerät nicht, meinte sie: eine typisch nepalesische Denkweise, "Wir machen es seit Hunderten von Jahren so, warum sollte man es jetzt anders tun?" Frau Dr. Rajni wollte nur die Frauen, untersuchen, die über Schmerzen klagten, aber wir erreichten durch die Zahlung eines höheren Lohns (100 € für den ganzen Tag...), dass sie jede Frau gründlich untersuchte, "gründlich" auf nepalesische Art, nämlich ohne einen Abstrich zur Krebsvorsorge, der in solchen armen Ländern nur den Reichen angeboten wird. Wenn Krebs bei jemandem festgestellt wird, ist es ohnehin schon zu spät, um etwas zu unternehmen. Alle Frauen waren sehr aufgeregt und voller Scham. Jeder Mann, der sich an diesem Tag dem Kindergarten näherte, wurde sogleich verjagt.

198 der Frauen hatten sich für die Untersuchung eingeschrieben, aber die Angst war so groß, dass nur 154 den Mut fanden, zu erscheinen. Bina musste die Frauen immer wieder mit einem Megaphon zum Kommen aufrufen. Die Erfahrungen, die wir bei der Kinderuntersuchung und der Anorak- und Medikamentenverteilung gemacht hatten, hatte uns schon gelehrt, dass eine solches Gerät unbedingt notwendig ist, um von den vielen Menschen gehört zu werden, die unaufhörlich schreiend diskutieren und dadurch unsere Arbeit unglaublich erschweren.

Nach der Untersuchung gingen alle Frauen zur Beratung über Familienplanung, die von Bina durchgeführt wurde. Ein Drittel von ihnen war schwanger... Nur sechs waren gesund! 15 müssten im Krankenhaus genauer untersucht werden und die restlichen 133 hatten viele verschiedene Probleme und brauchten dringend Medikamente. Eine große Zahl leidet an Gebärmuttersenkung und müssten eigentlich operiert werden. Ein Viertel der Frauen gehört der Nomadenkaste der Maute an, die von ihrer Kultur her ständig mit ihren Zelten weiterziehen. Allmählich werden sie während des harten Winters in Slums sesshaft. In Bongshigat gibt es 25 Kinder, die tagsüber betteln gehen, um ihre Familie zu ernähren, unter ihnen der behinderte Jitendra, dessen Mutter während ihrer gesamten Schwangerschaft leider vor den Toren einer Chemikalienfabrik in Indien lagerte. Wir haben vor, diese Kinder zu alphabetisieren, aber zuerst müssen wir die Eltern davon überzeugen, dass sie die Verantwortung für ihre Kinder und deren Versorgung übernehmen sollen und nicht umgekehrt. Wir haben schon angefangen, mit ihnen zu reden, aber eine solche Veränderung kann leider nicht von heute auf morgen stattfinden.

Nach diesen Check-ups haben wir Medikamente im Wert von 500 € für die Frauen gekauft und 1100 E für die Kinder ausgegeben. Meena, die Hauptverantwortliche unseres Projektes, hat jetzt angefangen, die Kinder, die es nötig haben, ins Krankenhaus zu bringen. Sija, Angela aus dem ehemaligen Children's World, Djaynti und Sangita aus dem Slum leisten eine sehr gute Arbeit im Kindergarten, der jetzt über 40 Kleinkinder betreut. Die Mütter können endlich als Sand- oder Zementträgerinnen auf Baustellen arbeiten gehen. Etwa 60% der Männer des Slums weigern sich zu arbeiten. Umso wichtiger ist es für die Frauen, ihre Babys im Kindergarten unterzubringen, um Geld zu verdienen und die Familie ernähren zu können.

Unser Einsatz in Kathmandu ist oft anstrengend. Es macht aber große Freude, zuschauen zu dürfen, wie etwas wie Hoffnung in den Augen der Bongshigat-Menschen zu glänzen beginnt. Durch IHRE Unterstützung schaffen sie es, langsam ihr Leben besser anzupacken.

Wir danken Ihnen sehr, diese Hilfe zu ermöglichen. Auch im Namen aller dieser Menschen danken wir Ihnen herzlich und wünschen Ihnen eine frohe Weihnachtszeit so wie ein gutes, gesundes neues Jahr 2010!

Elisabeth Montet