Kinderhilfe Nepal e.V.


Rundbrief Dezember, 2007

Liebe Freunde,

auch wenn die Sonne es im winterlichen Nepal tagsüber auf 20 Grad bringen kann, sinken die Temperaturen gegen 17 Uhr auf null Grad. Häuser und Hütten haben aber keine Heizung, und die Menschen verbringen die Nächte aneinander geschmiegt, um sich zu wärmen. Politisch gesehen, geschieht nichts. Die Wahlen, die im November stattfinden sollten, sind auf April 2008 verschoben worden. Kommunisten und Maoisten wollen Nepal vor den Wahlen zur Republik erklären. Die anderen Parteien weigern sich. Also wird seit Monaten nur diskutiert und auf der Stelle getreten. Währenddessen häufen sich wieder Tonnen von Abfällen in den Straßen der Hauptstadt. Benzin und Diesel werden rationiert, so dass sich kilometerlange Schlangen von Taxis und anderen Autos bilden, deren Fahrer oft die Nerven verlieren, und es kommt zu heftigen Schlägereien.

Die vielen Armen werden immer ärmer, die wenigen Reichen noch reicher, und man fragt sich, wo die Hunderte von Millionen Dollar verschwinden, die die internationale Gemeinschaft Nepal zur Verfügung stellt. Eine neue Mode von Entführungen ist aufgekommen: Kinder werden von unbekannten Gruppen wahllos entführt, und es wird Lösegeld von Familien verlangt, die gar nichts besitzen. Dann werden die Kinder kaltblütig getötet. In Nepal leben 100 verschiedene ethnische Gruppen und Kasten, die 70 unterschiedliche Sprachen sprechen und bis vor kurzem in Frieden zusammengelebt haben. Die ethnischen Unruhen der im Süden Nepals schon lange ansässigen Madhesis verschlimmern sich jetzt, weil ihre Forderungen von der Regierung kaum registriert werden.

Da 17 der 29 Millionen Einwohner des Landes im Freien ihre Notdurft verrichten, ist das Grundwasser verseucht und die Flüsse des Kathmandutales dienen als Müllhalde: 82% aller Erkrankungen sind auf diese unhygienischen Umstände zurückzuführen. Krankenversicherung ist in Nepal ein Fremdwort: Wer ernsthaft krank wird, stirbt, weil er/sie kein Geld hat, um ärztliche Behandlungen zu bezahlen. Die Menschen unseres "Slums" haben ja die Kinderhilfe Nepal, die die medizinischen Kosten für mehr als 200 Kinder aufbringt. Dank der vitamin- und mineralreichen Nahrung, die ihnen täglich gegeben wird, und dank der vierjährigen Arbeit, die dort von Sija und ihren Helfern geleistet wurde, werden nur wenige Kinder krank.

In diesem November haben wir für 400 Euro 200 Anoraks gekauft, um die Kinder vor der Winterkälte zu schützen. Auch die Mütter helfen jetzt und passen auf, dass niemand verseuchtes Wasser trinkt. Schon vor fast einem Jahr ist die Leitung für sauberes Wasser von uns an die Stadtleitung angeschlossen worden. Aber noch immer weigern sich die Behörden - selbst gegen Bezahlung -, das saubere Wasser in die Slums fließen zu lassen. Für Sija, ein täglicher Kampf, den sie noch lange nicht gewonnen hat. Internationale Hilfsorganisationen werden im Moment von der Regierung kritisiert und denunziert. Theoretisch sollten wir seit einem Jahr genauso wie die großen Organisationen wie Plan International oder UNICEF, das Ministerium für soziale Angelegenheiten bei jedem kleinen oder großen Vorhaben um Genehmigung bitten. Kleine Organisationen können ziemlich leicht ihren eigenen Weg gehen, aber große Organisationen, die Schulen, Gesundheitszentren und andere sichtbare Projekte bauen, bekommen Ärger von Seiten einer unverschämten Regierung, die diese lebenswichtigen Arbeiten für das Wohl ihres Landes eigentlich selbst durchführen müsste!

Es macht uns Freude festzustellen, dass in "unserem" Slum das Leben der Menschen durch unseren Einsatz leichter und besser geworden ist. Die Gemeinschaftsgassen sind sauber, der Waschplatz, die Toiletten und Duschen werden benutzt, und die Solidarität unter den Frauen bleibt. Das Frauenverteidigunskomitee ist jede Nacht unterwegs, und verprügelte Frauen sind eine Seltenheit geworden. Es stellte sich heraus, dass die herzkranke Juma durch eine Herzklappen Operation doch 95%Chancen hätte zu überleben und nicht umgekehrt. Ein Spender aus Nürnberg war bereit, die Kosten zu tragen, aber am Vortag des Eingriffes weigerte sich Juma, die Operation durchführen zu lassen. Sie sieht jeden Tag schlechter aus und hat ein kleines Kind. Wir üben keinen Druck auf sie aus, denn sollte bei dem Eingriff doch etwas passieren, wären wir in den Augen der Slumbewohner die Schuldigen. Da die Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft wirklich gut läuft, wollen wir auf keinen Fall dieses Risiko eingehen.

In Children's World gibt es die gute Nachricht, dass die Schwellung von Nelsons Lymphknoten verschwunden ist und der Krebsalarm völlig unbegründet war. Dafür kam Kusums Mutter aus ihrem fernen Dorf an der tibetischen Grenze, in ihr einziges Kleid gekleidet und in Plastiksandalen zu uns. Die 42-jährige Frau lebt allein mit ihrer geliebten 14 Jahre alten Kuh und einigen anderen Tieren, um die sie sich große Sorgen macht. Ein großer Knoten in der linken Brust und Schmerzen im Arm brachten sie nach Kathmandu. Die Untersuchungen ließen Krebs erkennen, und es folgte eine Amputation der Brust. Finanziell gesehen ist die Operation (120 Euro) eine Kleinigkeit.

Für die kommende achtmonatige Chemo- und Radiotherapie müssen wir ca. 5000 Euro aufbringen. Eigentlich sind wir eine reine Kinderhilfsorganisation, aber sollen wir deshalb diese Frau sterben lassen? Kusum wird seit 19 Jahren von Kinderhilfe Nepal erzogen. Sie ist mit Deepak die einzige brillante Studentin und wird im Januar ihr Magisterstudium in Business und Finanzen in der amerikanischen Webster Universität von Thailand anfangen. Aufgrund ihres tüchtigen Charakters wird sie es bestimmt zum Doktor bringen. Sie will jetzt in ihr Dorf gehen, um die Frauen aufzuklären, und ihnen die Vorsorge-Selbstuntersuchungsmethode beibringen, damit sie nicht wie ihre Mutter sechs Monate warten, bis sie einen Arzt aufsuchen. Wer die kostspieligen Therapien bezahlen wird, ist eine andere Frage, aber vielleicht kann ihnen durch Früherkennung die teure Chemotherapie erspart werden.

In Children's World, in dem es inzwischen fast nur Jugendliche gibt, geht es allen bestens. Wir haben überraschender Weise und mit Freude Hochzeit gefeiert. Smita, 19, wurde als Waisenkind vom SOS-Kinderdorf bei Kathmandu 12 Jahre lang betreut. Nach ihrem Schulabschluß stand sie auf der Straße ohne jede Identität. Sie ist ein äußerst nettes und intelligentes Mädchen, die Glück hatte, uns auf ihrem Weg zu treffen. Mit allen Mitteln haben wir versucht, ihr einen Personalausweis zu verschaffen. Vergeblich, denn der nepalesische Staat weigert sich, seinen eigenen Kindern, die elternlos sind, die Staatsangehörigkeit zu genehmigen. Es blieb nur EINE Möglichkeit: sie mit einem Mann zu verheiraten. Nur dann würde sie als nepalesische Frau anerkannt werden! Unser voll paralysierter "Prinz", Raj Kumar, war selig, einmal selbst jemandem helfen zu können. Jetzt studiert Sija Physiotherapie in Bangalore, Indien, und sendet ihm regelmäßig SMS. Wir müssen Ihnen aber auch verraten, daß unser Prinz selbst die Staatsangehörigkeit vor einem Jahr nur bekommen konnte, weil Deepaks Mutter ihn adoptierte, obwohl er gar nicht mit ihr verwandt ist und sogar einer ganz anderen Kaste angehört. (Deepak studiert jetzt Psychologie in Thailand). Wir sind also eine etwas "kuddelmuddelige" Familie, aber eines ist sicher: Wir halten fest zueinander!!!

All diese positiven Geschichten können nur durch Ihre Unterstützung entstehen. Ein Tropfen im Ozean, sagen viele. Sicherlich. Aber die vielen Menschen im Slum und in Children's World erleben diese Wohltat jeden Tag und wissen sie zu schätzen. Herzlichen Dank in ihrem Namen für Ihre Hilfe.

Ihnen allen wünschen wir von ganzem Herzen frohe Weihnachten und ein gutes, gesunde neues Jahr 2008!

Elisabeth Montet