Kinderhilfe Nepal e.V.


Rundbrief Dezember, 2006

Liebe Freunde,

die Verhandlungen zwischen den Maoisten und der Allianz aller Parteien Nepals sind erst jetzt nach 8 Monaten zu einem Abkommen gelangt. Während die Vertreter beider Seiten endlos auf der Stelle traten, haben die Rebellen die Gelegenheit genutzt, in Kathmandu Wurzeln zu schlagen, und bestimmen jetzt den Alltag

Ihr Organisationstalent, das in Nepal nicht gerade floriert, ist ihr unschlagbarer Pluspunkt. Sie befreien die Stadt von den stinkenden Abfällen, die überall auf den Straßen herumliegen. Innerhalb einer Stunde sind sie in der Lage, Kathmandu lahm zu legen, wenn sie gegen etwas protestieren wollen.

Ein großer Teil der Bevölkerung unterstützt sie dabei, und was immer sie als Aktion beschließen, klappt reibungslos.

Der vor kurzem unterzeichnete Vertrag gibt im Interimsparlament, das bald tätig werden soll, der größeren konservativen Partei des alten Premierministers Koirala 85 von 330 Sitzen. Je 73 Sitze bekommen die Maoisten und die offizielle kommunistische Partei, während die übrigen Sitze unter die 5 restlichen Parteien aufgeteilt werden. Nach der Bildung dieses Parlaments soll eine Interimsregierung gewählt werden. Die Maoisten verlangen, dass ihre 35.000 Soldaten nach den Wahlen, die im Juni 2007 stattfinden sollen, in die nepalesische Armee eingegliedert werden. Bis dahin bleiben die Rebellen in ihren 28 Lagern zerstreut in 7 Provinzen des Landes, und ihre Waffen werden unter der Aufsicht der UN in Containern eingeschlossen, von denen aber die Rebellen selbst die Schlüssel behalten!!! Das Volk feiert den Frieden, aber den Intellektuellen des Landes erscheint dieses Übereinkunft als wackelig, zumal bisher keine wesentliche Entscheidung für eine Entwicklung des Landes angekündigt wurde.

Die Menschen in Children´s World und in den Slums werden von unserem Projekt vor der Armut geschützt. Aber trotzdem schlug das Schicksal auch bei uns zu, und wir mussten unserem leukämiekranken Pramod Sterbebegleitung leisten - das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Kinderhilfe Nepal. Ältere Menschen, ganz besonders die eignen Eltern gehen zu lassen, ist schon schmerzhaft, aber einen so schönen, lieben 16-jährigen Menschen sterben zu sehen, den wir Frauen als den eigenen Sohn betrachteten, ist eine sehr schwere Last, mit der auch jetzt, vier Monate danach, schwer zu leben ist. Das Verbrennen seines Körpers wurde auf traditionelle Weise durchgeführt, vor den Kameras der unverschämten Touristen, die an der anderen Seite des Flusses wie im Theater saßen. Sein Bruder Prakash wollte ihn begraben, aber die christlichen genau sowie die moslemischen Friedhöfe des Kathmandutales weigerten sich heftig, einen Hindu unter ihren Toten zu akzeptieren.

Natürlich macht man wieder Spaß in Childrens´s World, natürlich lacht man auch wieder, aber nichts ist wie vorher.

Wir verwöhnen unseren völlig paralysierten Raj Kumar, der, auch wenn er nie darüber spricht, genau weiß, dass er theoretisch der Nächste ist, der gehen müsste. Was die Spenden für den Zellseparator betrifft, lesen Sie bitte das Protokoll der Jahresmitgliederversammlung. In Children´s World gibt es nur noch 25 jüngere Kinder und das Haus wird von Frauen geleitet, Meena trägt die Verantwortung für das Kinderhaus, während Sija das Projekt in den Slums mit großem Engagement weiterführt. Dieses Mal möchten wir berichten, was aus all "unseren" Kindern der letzten 17 Jahre geworden ist. Abgesehen von den 25 Kleineren von Children´s World, die noch in die Schule gehen, werden manche der Größeren noch finanziell von uns unterstützt, indem wir ihnen aber nur die teuren Studiengebühren bezahlen. Den Rest müssen sie sich selbst erarbeiten. Es sind:

  1. Deepak Lopchan, 23, hat Abitur u. College absolviert und studiert Psychologie in Thailand.
  2. Santosh Rumba, 22, Abitur und College, studiert in der Flugakademie von Kalkutta mit dem Ziel "Ground Operational Officer".
  3. Kusum Lama, 22, Abitur und College, studiert Betriebswirtschaft und Management.
  4. Hareram Chaudhary, 23, Abitur, ist jetzt gelernter Elektriker und arbeitet als Helfer in den Slums.
  5. Saroj Battharai, 18, Abitur, hat eine Lehre als Kellner in 5-Sterne Hotels gemacht.
  6. Shree Krishna Kharel, 22,Abitur und College, studiert auch in der Flugakademie von Kalkutta.
  7. Maya Lama Gole Tamang, 18, besucht das College und macht eine Lehre als Laborantin.
  8. Raj Kumar Shrestha, 22, völlig gelähmt, kann lesen und fließend Englisch sprechen.
  9. Subash Bhatta, 17, Abitur, studiert Kunst und lernt tagsüber Buddhistische Malerei.
  10. Pramod Thapa, 16, wollte gerade sein Abitur machen, starb aber am 21.08.06 an Leukämie.
  11. Prakash Thapa, 23, Abitur und College, studiert Computerhardware und kümmert sich mit Meena um die Buchführung des Projektes.
  12. Menuka Dhamala, 21, Abitur und College, lernt jetzt Krankenschwester.
  13. Renu Yonyan, 23, Abitur und College, studiert für drei Jahre Pharmazie.
  14. Goma Rai, 19, blind, hat Abitur und College absolviert und studiert jetzt Sozialarbeit.
  15. Devu Dahal, 23, Abitur, College und BA, fängt mit seinem MA Studium in Tourismus Management an.
  16. Raj K. Shrestha, 20, Abitur, College und BA als Computeringenieur, studiert weiter zum MA.
  17. Tenzing Norbu Lama, 22, Abitur und College, beendet sein 3. Jahr Physiotherapie-Studium.
  18. Hari Magar, 19, Abitur, beendet sein Studium als "Gesundheitsassistent", das ihm in entlegenen Dörfern des Landes die Stellung und die Einsatzmöglichkeiten eines Arztes geben wird.
  19. Maya Sherpa, 24, Abitur und College, arbeitet als Lehrerin.
  20. Pema Lama, 26, Abitur und College, hat Computerstudien absolviert und macht bis Januar 2007 ein Praktikum in einer Grafik-Design Firma in Deutschland.
  21. Furgel Lama, 24, blind, hat ein Stipendium bekommen und macht seinen MA in Geographie.
  22. Giriraj Adhikari, 26, Abitur, College und Universitätsabschluß. Da er arbeitslos ist, studiert er noch sechs Monate in der Flugakademie von Kalkutta und wird Flugbegleiter.

Folgende ehemalige Kinder leben jetzt von uns völlig unabhängig:

  1. Bikram Rana, 25, Abitur und Hotelschule. Er hat ein Jahr Praktikum in verschiedenen Hotels Frankreichs gemacht und studiert dort ein weiteres Jahr auf eigene Faust, indem er nebenbei als Kellner arbeitet.
  2. Dinesh Lopchan, 26 , Abitur und College, arbeitet in Indien, verh., ein Kind.
  3. Krishna Yonjan, 27, Abitur, arbeitet in einer Arbeitsvermittlungsagentur.
  4. Rajiv Shrestha, 28, Abitur und College, ist jetzt Manager im Duty-Free-Shop im Flughafen von Doha, Qatar.
  5. Bishnu Yonjan, 22, Abitur, arbeitet als Verkäufer in Saudi-Arabien.
  6. Ram Pukhar Sharma, 24, Abitur, College und Computerstudien; er arbeitet als Lehrer in einer Computerschule und hilft uns immer, unseren Computer zu warten.
  7. Sangita, Lama, 22, Abitur und College, arbeitet als Volksschullehrerin.
  8. Sabina Kharel, 20, Abitur, arbeitet als Rezeptionistin.
  9. Sija Shrestha, 26, Abitur und College, hat Kurse in Sozialarbeit, Pädagogik und Gesundheitsfächern absolviert und leitet mit großem Erfolg unser Projekt in den Slums von Kathmandu.
  10. Shanta Rumba, 26, verh., ein Kind, arbeitet seit einem Jahr in einem israelischen Pflegeheim.
  11. Liza Shrestha, 22, arbeitet im Kindergarten unseres Projekts in den Slums.
  12. Rita Rai, 26, Abitur und College, verh., ein Kind, arbeitet als Lehrerin.
  13. Karma Bal Lama, 27, Abitur und College, arbeitet in Indien als Karate-Lehrer.
  14. Karma Yonjan, 21, Abitur, arbeitet in einem Supermarkt.
  15. Dhandu Yonjan, 24, Abitur, arbeitet in Singapur als Verkäufer.
  16. Bir Bahadur Lama, 27, Abitur, verh., ein Kind, arbeitet als Sicherheitsbeamter.
  17. Baghat Tamang, 24, Abitur und College, macht seit 4 Jahren mühselig "Karriere" in der nepalesischen Armee.
  18. Kabita Rai, 24, verh., zwei Kinder, arbeitet in einem Kindergarten.
  19. Manju Bhattarai, 22, Abitur und College, Volksschullehrerin.
  20. Muna Lama, 23, Abitur und College, arbeitet als Volksschullehrerin.
  21. Sabitri Poudel, 16, blind, ist von einer Blindenorganisation übernommen worden und geht weiter zur Schule.
  22. Dilip Chaudhary, 23, Abitur und College, macht einen Kurs für Computerhardware, lebt mit Freunden.
  23. Umda Sharma, 22, Abitur, arbeitet als Pflegerin, gibt nie ein Zeichen von sich.
  24. Dipesh Lopchan, 17, verließ Schule und Kinderhaus kurz vor dem Abitur, lebt bei seiner armen kranken Mutter. Beruf: Nichtstuer!
  25. Durga Chettri, 20, Abitur, verschwunden.
  26. Rita Chettri, 25, verh., 2 Kinder, soll in Südnepal leben.
  27. Santosh Acharya, 21, hatte mehrere Lehren angefangen, griff leider zu Drogen und soll in Goa, Indien, "überleben".

+ 10 von den 15 Mädchen unseres dreijährigen Projektes für Alphabetisierung und Schneiderlehre, die in ihrem Dorf eine kleine Werkstatt führen und so über die Runden kommen; die anderen haben wir aus den Augen verloren.

Außer: Nanu, 24, die auf eigene Faust Abitur und College absolviert hat; sie assistiert jetzt bei einer Schweizer Hilfsorganisation, die in ihrem Dorf Brunnen bohrt und eine Schule aufbaut.

Sicher ist keines "unserer" Kinder zum "V.I.P" geworden, aber bei ihrer Unterernährung in der Kleinkindheit können wir froh sein, dass alle, abgesehen von dreien, ihr Abitur und die meisten ihr College absolviert haben. Ohne Ihre Unterstützung wären viele gestorben, denn die Kindersterblichkeitsrate bleibt in Nepal sehr hoch. "Unsere" Kinder sind zwar nicht reich, aber sie können in Würde leben und, mit drei Ausnahmen, pflegen sie alle einen herzlichen, dankbaren Kontakt zu Children´s World. Der jüngeren Generation, die das Haus jetzt bewohnt, werden die gleichen Chancen geboten, aber es wird kein neues Kind mehr aufgenommen. Unser Einsatz wird sich in Zukunft hauptsächlich auf die Slums konzentrieren, wo wir schon viel erreicht haben. Es ist eine mühselige Arbeit, die sich sehr lohnt, besonders was die Gesundheit der 150 Kinder betrifft. Seitdem sie eine regelmäßige vitamin- und mineralreiche Kost von uns bekommen, sind sie aufgeweckter in der Schule und haben bessere Ergebnisse.

Die Hygiene bleibt das größte Problem, aber Sija und ihre Helferinnen versammeln die Mütter regelmäßig, um zu versuchen, Einfluss in diesem Bereich zu haben. Dieses Mal kam Krankenschwester Sweccha und betonte die wichtigsten Punkte der täglichen Hygiene. Die Frauen hören immer konzentriert zu, scheinen aber sofort zu vergessen, was sie gelernt haben. Nur regelmäßige und sensible Einsätze in jeder Hütte werden weiterhelfen, meint Sija. Sie ist im Moment mit einem Fall von Kindesmissbrauch beschäftigt, und eine auf diesem Gebiet spezialisierte Organisation hat den Fall vors Gericht gebracht: Der Mann, der seine 12-jährige Tochter, seit Monaten vergewaltigte, ist jetzt im Gefängnis. Das Mädchen ist sehr verstört, schwer verwundet und will auf keinen Fall ihre Mutter verlassen, die monatelang stille Zeugin des Missbrauchs war. Das Kind schwieg aus Scham und die Mutter aus Angst vor ihrem Mann, der sie beide mit Schlägen bedrohte, falls sie über sein Verbrechen draußen reden würden. Für Sija ist es ein Alptraum, dass eine ihrer Schülerinnen solange litt und schwieg, und wir mussten sie trösten und ihr den Mut geben, weiterzumachen.

Alle Kinder von Children´s World, die es so gut haben, so wie auch Mütter und Kinder der Slums haben uns beauftragt, ihr herzliches Dankeschön bei Ihnen allen auszudrücken, die ihnen helfen, ein so viel besseres Leben zu führen als die meisten Nepalesen. Auch wir bedanken uns von ganzem Herzen und wünschen Ihnen frohe Weihnachten und ein gutes, gesundes neues Jahr 2007!

Alles Gute und Liebe!

Elisabeth Montet