Kinderhilfe Nepal e.V.


Rundbrief Dezember, 2000

Liebe Freunde,

Weihnachten ist für die Kinder von "Children´s World" ein Fest, über das sie immer wieder Auskunft haben wollen. Die Glitzerwelt, die zu dieser Zeit von CNN und der BBC im Kathmandutal ausgestrahlt wird, ist für sie einfach zauberhaft und faszinierend. Dieses Jahr kommt der Weihnachtsbrief der Kinder in Deutsch.Pema ist stolz, damit zeigen zu können, dass er große Fortschritte in der deutschen Sprache macht. Er besucht jeden Tag das ehemalige Goethe-Institut, das in das "German Language Institute" umbenannt wurde und von Nepalesen betrieben wird. Viele Kinder wollen nach dem Abitur nicht weiterstudieren. Einige Mädchen, die sehr schwach in der Schule waren, sind in die "Großfamilie" ihres Dorfes zurückgekehrt, wo sie als Volksschullehrerinnen arbeiten können. Bei den Jungen ist es "in", in die Arabischen Emirate oder Saudi Arabien gehen zu wollen, um gegen einen Hundelohn Sklavenarbeit zu leisten. Dazu brauchen sie ein Flugticket und bitten uns dafür um das nötige Geld, das wir ihnen verweigern. Dieser Punkt wurde bei der letzten Jahresversammlung angesprochen. Alle Mitglieder waren sich einig, dass unsere Organisation gegründet wurde, um nepalesische Kinder zu alphabetisieren und auszubilden und nicht um andere Länder mit billigen Arbeitskräften zu versorgen.

Bikram hat also seine Meinung geändert und ist sein Studium als Ingenieur angetreten.

Bir Bahadur hat in den letzten sechs Monaten in Indien gearbeitet und selbst sein Flugticket verdient. Er ist jetzt 23, hat das Abitur nicht geschafft und sollte sein eigenes Leben führen.

Dinesh arbeitet seit drei Monaten in einem Hotel von Kathmandu.

Sija ist nach ihrem Aufenthalt als Au Pair Mädchen in Deutschland nach Nepal zurückgekehrt und, nachdem die neue Lehrerin Namrata das Kinderhaus verlassen hat, hat sie mit den anderen großen Kindern die Führung des Kinderhauses unter der Leitung vonKhim übernommen. Es ist sehr schwierig, in Nepal, gute Erzieher zu finden. Der Beruf als solches existiert nicht und die meisten Menschen, die in "Children´s World" arbeiten, sind erstmal Feuer und Flamme, weil sie sich immer erhoffen, durch uns in den Westen zu kommen. Sobald sie aber feststellen, dass dies nicht möglich sein wird, geben sie ihre Arbeit sehr schnell auf.Namrata ist jetzt seit zwei Monaten weg und das Leben im Kinderhaus läuft friedlich vor sich hin, von den großen Kindern und unseren treuen Mitarbeitern erstaunlich gut verwaltet. Die Kinder sind öfter als sonst "zu Hause". Da die Maoisten inzwischen ihren Einfluss auf Kathmandu ausgebreitet haben, wurden diese Woche alle Schulen aus Angst vor Repressalien für acht Tage geschlossen und niemand traut sich auf die Straßen.

Kusum und Muna sind die schwierigsten Mädchen der Großfamilie, aber beide sind sehr ehrgeizig und dämpfen immer wieder ihren Übermut aus Angst, ihren Platz in "Children´s World" zu verlieren.

Tenzing ist ein brillanter Schüler, leidet aber an Größenwahn und hat in den letzten Monaten die Atmosphäre im Kinderhaus so durcheinandergebracht, dass wir ihn von den anderen trennen mussten. Hier wäre er ein Fall für eine gute Psychotherapie, aber in Nepal existiert dieser "Luxus" nicht. Wir haben ihn gegen etwas Geld bei dem Mann, der uns sonst Gemüse verkauft, untergebracht. Tagsüber geht er in die Schule und bis jetzt scheint diese Lösung in Ordnung zu sein. Auch er hat Angst, seine Chance zu verlieren und ist deshalb etwas vorsichtig geworden.

Nach seinen sechs Monaten auf der Straße benimmt sichSantosh bei seiner Schreinerlehre erstaunlich gut. Er achtet seinen "Meister" sehr und dieser Vaterersatz gibt ihm eine große psychische Stabilität.

Unsere von allen geliebten "Problemtochter"Shanta ist vor ein paar Tagen mit ihrem Baby im Kinderhaus aufgetaucht. Ihr Mann ist endgültig verschwunden und soll in Indien im Gefängnis sitzen. Sie geht seit sechs Monaten wieder zur Schule und macht große Fortschritte. Ab jetzt wird ihr SohnElias tagsüber im Kinderhaus mit dem Baby unserer KöchinAnita bleiben. Abends wird sich dann Shanta ein gemietetes Zimmer außerhalb des Kinderhauses mit Anita teilen. Die beiden verlassenen Frauen sollten, meinen wir, eine "Scheinunabhängigkeit" haben. Die Kinder könnten sonst denken, dass wir schon bereit sind, das Kinderhaus der zweiten Generation zu gründen...!

Shree Krishna kommt im Dezember von seinem Internat in Indien für einen Monat Ferien nach Kathmandu.

Auch unsere blinde, tapfere Goma kommt aus Neu-Delhi für vier Wochen und freut sich, dass ihr großer Freund Bikram nicht nach Dubai gegangen ist.Raj Kumar hat wie in jedem Winter große Schwierigkeiten mit der Kälte und ein Zimmer wird extra für ihn den ganzen Tag beheizt. Ein Korsett wurde vom besten Orthopäden Kathmandus angeordnet und hält jetzt seinen kraftlosen Körper aufrecht. Er würde so gern arbeiten, meint er öfters traurig. Meistens ist er aber guter Laune, ganz besonders wenn er den nettenMeghraj ärgern kann, der sich liebevoll um ihn kümmert.

Die Kinder werden größer und auch diejenigen, die uns verlassen, können fließend English und können sich durchschlagen. Für die anderen, die studieren wollen, brauchen wir sowieso viel Geld, weil Universitäten und Institute immer teurer werden. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, im Moment keine weitere Kinder aufzunehmen.

Die Spendenquittungen für das Geld, das nach Abschicken dieses Briefes auf dem Konto unseres Vereins eintreffen wird, schicken wir sofort Anfang Januar. Da wir jetzt in der Lage sind, die Spendenquittungen selbst auszustellen, bedeutet das kein Problem mehr.

Wir geben Ihnen ganz herzliche Weihnachtsgrüsse aus Kathmandu weiter und wünschen Ihnen allen ein frohes Fest sowie ein gutes, gesundes neues Jahr.

Vielen Dank für Ihre treue Unterstützung!

Elisabeth Montet - Uwe Pohlig