Liebe Freunde,
während die meisten seiner Mitbürger zur medizinischen Hilfe keinen Zugang haben, pendelt der nepalesische Premierminister SUSSIL KOI-RALA regelmäßig zwischen Kathmandu und New York, wo er eine Strahlentherapie gegen Lungenkrebs erhält. Gebrauchte Bestrahlungsgeräte wurden vor langer Zeit vom reichen Ausland an Nepal geschenkt. Für Nepalesen der Mittelklasse! müssen sie reichen, auch wenn die meisten sich von Ihrem Besitz trennen müssen, um für die hohen Kosten der Behandlung aufkommen zu können. Den Armen, die an Krebs erkranken, wird nicht einmal diese Möglichkeit gegeben.
Wir fühlen uns elend, weil wir den Frauen aus den Slums bei dieser Behandlung nicht mehr helfen können. Deshalb haben wir beschlossen, ab jetzt Aufklärungsprogramme zu organisieren, in der Hoffnung, das Übel etwas in Grenzen zu halten. "Unsere" RITA aus dem ehemaligen Children's World ist jetzt Krankenschwester und bringt mit MUNA und SUSHMA den Frauen bei, jeden Monat eine Vorsorgeuntersuchung bei sich selbst vorzunehmen. Sie konnten an anderen an Krebs erkrankten Frauen sehen, wie sich ein unbehandelter Brustkrebs im Endstadium in einen unerträglichen Alptraum verwandelt, und sie sind besonders lernbegierig. Wir stellen uns aber inzwischen Fragen über den Sinn dieser Aufklärung, denn mehrere Frauen müssten jetzt dringend zur Mammographie, die so teuer ist wie der Monatslohn eines Volksschullehrers. Am Ende sehen unsere Bemühungen so aus: Die Frauen, die verdächtige Symptome haben, gehen doch nicht zu den dringenden Untersuchungen, weil sie, wie sie immer wieder sagen, kein Geld dafür haben.
Muna ist zurzeit dabei, sie zu motivieren, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, und verhandelt gleichzeitig Rabatte in einem Krankenhaus. Die Frauen denken, dass WIR bezahlen müssen, weil Kinderhilfe Nepal - wie sie glauben - unendlich vermögend ist und nicht nur Kinder unterstützen sollte.
Nicht nur in den Slums sondern in ganz Nepal fehlt es an medizinischer Unterstützung. Eine nepalesische Frau gebiert im Durchschnitt 6 -11 Kinder allein zu Hause, ohne jemals untersucht worden zu sein. Sogar in Kathmandu gibt es Probleme: die Ärzte des größten Staatskrankenhauses sind vor kurzem in Streik getreten, weil sie wegen Mangel an medizinischer Ausrüstung ihren Beruf nicht ausüben können. Und da die Regierung nichts unternimmt, um die Umweltverschmutzung zu bekämpfen, ist Krebs ist im Himalayastaat eine florierende Krankheit. Luft und Wasser sind mit Schwermetallen, Chemikalien und Chemikalien verseucht. Sogar im Gemüse, das täglich auf den Markt kommt, wurden im August 45 % Pestizide festgestellt und für ein paar Tage ein Verkaufsverbot angeordnet. Am folgenden Tag fand man allerdings die vergifteten Produkte im Süden des Landes wieder, wo sie für die Hälfte des Preises an die Bevölkerung verschleudert wurden. Nicht weniger als 1.331 Firmen, die in Nepal indische Pestiziden anbieten, haben in Kathmandu Fuß gefasst, und sie haben fest vor, weiterhin gute Geschäfte zu machen.
In den Slums von Banshigat und Thapatali läuft unser Ernährungs- und Erziehungsprogramm weiter, und wir liefern regelmäßig Trinkwasser an die zwei Siedlungen. Im Zeltlager der Maute Nomaden sind die Menschen nicht sesshaft, und unser Einsatz ist vor allem medizinischer Art. Auch mit ihnen muss man lernen, umzugehen. Die Maute werden schon als Baby verheiratet, auch wenn die Ehe erst im fünfzehnten Lebensalter vollzogen wird. Sie heiraten seit Jahrhunderten untereinander, und immer wieder gebären diese sonst sehr schönen Menschen viele Kinder mit Lippen- und Gaumenspalte oder anderen angeborenen Missbildungen. Wir haben uns daran gewöhnen müssen, dass die Eltern ein solches Kind als sichere Einnahmequelle beim Betteln auf der Straße betrachten und jede Operation umgehen, die übrigens in Kathmandu kostenlos durchgeführt werden könnte. Direkt lehnen sie nicht ab, sondern behaupten zum Beispiel, dass sie den Eingriff erst im Winter durchführen lassen werden, wohl wissend, dass sie dann nicht mehr in Kathmandu sind. Zuviel Zeit und Energie haben wir in solchen Fälle investiert, vieles organisiert und vorbereitet, damit alles für das Kind gut läuft. Als wir am verabredeten Tag ankamen, um Mutter und Kind für den Eingriff abzuholen, waren sie schon längst weitergezogen. Immer mehr Männer aus den Slums arbeiten in Malaysia oder in den Emiraten, aber die Familien hoffen oft vergebens auf das Geld, das sie sich dort als Sklaven erarbeiten. Viele von ihnen bewerben sich bei üblen Arbeitsvermittlungsbüros, die aus dem Boden sprießen, Arbeit gegen Anzahlung von Geld versprechen und über Nacht mit Riesensummen dann wieder verschwunden sind. Qatar ist wegen der Fußballweltmeisterschaft 2022 zum besonderen Ziel für Arme geworden. Für Nepal wäre eine Ortsveränderung dieser Spiele eine richtige ökonomische Katastrophe. Die Männer, die am Flughafen von Kathmandu Schlange stehen und auf ihren Flug mit Qatar Airways oder Air Arabia warten, wissen inzwischen, was für ein Leben sie erwartet. Und trotzdem wollen sie weg, weil zu Hause ja nur Elend ist und sie ohne Arbeit nicht mehr beachtet werden.
Ihre Frauen müssen sich mindestens dann keine Sorgen mehr machen, erneut schwanger zu werden. Als wir mit ihnen über Familienplanung sprachen und verschiedene Methoden vorschlugen, kam heraus, dass Männer sich strikt weigern, Kondome zu benutzen und nicht einmal an einer besseren Hygiene interessiert sind. Medikamente gegen Infektionen wurden verteilt, und es entstand die Idee, einen Frauenclub ins Leben zu rufen, in dem Frauen sich verpflichten sollen, den Beischlaf mit ihrem unsauberen Mann zu verweigern. Inzwischen lächeln wir skeptisch über solche Entscheidungen. Wir führen aber unsere Arbeit unbeirrt fort und mindestens die Hunderte von Kindern, die wir betreuen, ziehen daraus einen großen Profit.
Herzlichen Dank an Sie alle für Ihre treue Unterstützung und bis zum nächsten Dezember mit Neuem [und Altem] aus Kathmandu!
Alles Gute bis zum nächsten Brief im August-September.
Elisabeth Montet