Kinderhilfe Nepal e.V.


Rundbrief September, 2013

Liebe Freunde,

der Monsunregen, der den Reis, Asiens Grundnahrung, wachsen lässt, ist dieses Jahr in Nepal früher und heftiger als sonst eingetroffen. Tausende von Häusern und Hütten wurden weggespült, und unzählige Menschen vermisst oder getötet. Den vier führenden Parteien des Landes ist es endlich gelungen, Generalwahlen für den 19. November zu organisieren. Die 33 Parteien der Opposition sind aber dagegen und werfen der internationalen Gemeinschaft vor, sich in die Politik des Landes einmischen zu wollen, weil diese die Wahlen durch ihre jeweiligen Botschaften in Kathmandu unterstützen lässt.

Diese seit so vielen Jahren erwarteten Wahlen kommen den Beobachtern nicht sehr seriös vor, weil mehr als die Hälfte der etwa 30 Millionen Einwohner Nepals nicht registriert ist, und die meisten ohnehin von jeder Art von Politikern angewidert sind. Laut der Organisation "Transparency International" ist die Korruption in allen politischen Parteien dieses Landes auch besonders alarmierend. Sie gedeiht auch auf haarsträubende Weise im Parlament, im juristischen System und auch bei der Armee und der Polizei. Mehr als 100 Anwälte stehen zurzeit vor Gericht, weil sie ihre Mandanten betrogen und ausgebeutet haben.

Für die Nepalesen geht es einfach nur ums Überleben der eigenen Familie: Die Eltern der Mittelklasse opfern alles, um ihre Kinder in Privatschulen einzuschreiben, die ständig wie Pilze aus dem Boden schießen und deren Gebühren unverschämt teuer sind. Dabei ist das Niveau dieser Schulen extrem niedrig, weil sie völlig unqualifizierte Lehrer einstellen. Die Armen, wenn sie können, schicken ihre Kinder in die staatlichen Schulen, deren Gebühren niedriger sind, für die Eltern aber eine zu große finanzielle Last bedeuten. Während der Monsunzeit sind diese Schulen ohnehin leer, weil die Kinder von der Familie gebraucht werden, um die Reisstecklinge in die Felder einzupflanzen.

Und dann gibt es die anderen Kinder, die Analphabeten bleiben, zur Arbeit oder zum Betteln geschickt und völlig vernachlässigt werden. Im Sommer vermischt sich das braune Wasser der Flüsse des Tals von Kathmandu durch die starken Regengüsse mehr als sonst mit Fäkalien und Abfällen. In den überfüllten Krankenhäusern werden dieses Jahr unzählige Patienten, die an Typhus leiden, abgelehnt. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit vermehren sich auch Stechmücken und andere Insekten doppelt so stark als sonst. Im Osten des Landes erkrankten mindestens 6000 Menschen an Elephantiasis, während Malaria und Denguefieber andere Teile des Landes verseuchen. In den betroffenen Gebieten mangelt es an Ärzten, die sich wegen der schlechten Bezahlung weigern, Kathmandu zu verlassen. Sie beklagen sich über die fehlenden Arbeitseinrichtungen und Medikamente, die ihnen die Regierung nicht zur Verfügung stellt, und die meisten sind nur bemüht, auszuwandern.

Währenddessen geht unsere Arbeit ungestört weiter. Den Gesundheitsposten haben wir in den Slum von Banshighat verlegt, weil er dort mehr gebraucht wird als im Slum von Sinamangal. Viele Frauen und Kinder werden dort von MUNA behandelt oder ins Krankenhaus gebracht. Wir haben eine gynäkologische Untersuchung der Frauen organisiert, die stark besucht wurde: Mehrere hochschwangere Frauen kamen, die noch nie beim Arzt gewesen waren. Eine 22-jährige junge Frau, Mutter von 3 Töchtern, war wieder schwanger, in der Hoffnung, Ihren Mann und die Gesellschaft durch die Geburt eines Sohnes zufrieden zu stellen. Wir fragten eine andere, die erfuhr, dass sie zum ersten Mal ein Baby erwartete, ob sie glücklich war, und sie antwortete lächelnd und ausdrücklich: "Mein Mann wird sehr glücklich sein!" Alle untersuchten Frauen litten an einer vaginalen Infektion.

Trotz der unermüdlichen Ratschläge von MUNA und SIJA, die sich für eine bessere Hygiene in den Slums einsetzen, mussten alle Frauen mit Antibiotika oder Fungiziden behandelt werden: eine zum Teil ineffiziente Behandlung, da auch die Männer untersucht und entsprechend versorgt werden mussten, den Frauen es aber nicht gelingt, sie dafür zu interessieren.

Im Slum von Thapathali und drei anderen Slumgebieten werden die Kinder weiterhin ernährt und medizinisch betreut. Auch trinkbares Wasser lassen wir mit Lkws in die Siedlungen liefern. Eine plötzliche Untersuchung der Regierung stellte fest, dass 30% der Wasserflaschen, die als "Mineralwasser" verkauft werden, Kolibakterien enthielten, und die Firmenbesitzer wurden aufgefordert, ihre Anlagen innerhalb von 14 Tagen zu reinigen, sonst würden sie geschlossen. Die Antwort der Hersteller ließ nicht auf sich warten: alle Firmen des Landes fingen sofort an, auf unbestimmte Zeit zu streiken, und nach drei Tagen konnte keine einzige Flasche Trinkwasser auf dem Markt gekauft werden. Die Regierung zog darauf die Verordnung zurück, das Problem wurde unter den Teppich gekehrt, und die Anlagen produzieren weiter verseuchtes Wasser. Dies zeigt die Macht, die eine Regierung in Nepal über das Volk ausüben kann.

Sija arbeitet wieder mit uns zusammen und hat sogar jetzt die offizielle Leitung unseres Projektes. Sie studiert gleichzeitig für ihren Master in Psychologie und unterstützt in ihrer Arbeit Muna, die sich für die Gesundheit der Kinder in den Slums einsetzt, und SUSHMA, die für die Erziehung der Kleinen zuständig ist. Alle drei arbeiten ernsthaft und mit Effizienz. Auch wenn sie Energie und Initiative aus Deutschland brauchen, sind sie es, die in oft schwer zu ertragenden Situationen unser Werk meistern.

Alle drei sind Ihnen, genau wie die Angestellten aus den Slums dankbar, diese Arbeit haben zu dürfen, denn es herrscht in Kathmandu eine solche Arbeitslosigkeit, dass viele junge Leute aus dem ehemaligen "Children's World" in Dubai, Qatar, Kuweit oder Saudi Arabien, als billige Arbeitskräfte leben. Auch in Israel arbeiten viele Nepalesinnen als Pflegekräfte, und allein in Malaysia sollen 600.000 Nepalesen beschäftigt sein. Alle akzeptieren diese unwürdigen Lebensumstände nur, um ihrer Familie in Nepal etwas Geld zu schicken. Wir hatten uns für "unsere" Kinder ein besseres Leben vorgestellt, aber trotzdem hat "Children's World" sie mindestens so weit gebracht, dass sie Englisch sprechen und einen Beruf erlernen konnten. Viele von Ihnen, die unsere Arbeit seit 25 Jahren verfolgen, haben sicherlich festgestellt, dass unser Einsatz über die vielen Jahre immer viel größer war als dessen Ergebnisse. Und trotzdem wollen wir mit Demut behaupten, dass halbe Ergebnisse immer noch besser sind als gar keine! Und als "Freude" für besondere Kinderliebhaber unter unseren Spendern dürfen wir hinzufügen, dass die 60 Kinder, die "Children's World" erzogen hat, uns schon über 100 Enkel und Enkelinnen geschenkt haben, die sie immerhin selbst versorgen!

Vielen Dank für Ihre geduldige und wirklich ermutigende Unterstützung!

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Montet