Liebe Freunde,
Zeitungen lesen die Nepalesen nicht, und wenn sie einen alten Fernseher ergattern können, sehen sie sich oft tagelang billige Hindi-Filme an, die sie nicht gerade geistig fördern. Noch wissen die meisten nicht, dass ein gewisser Donald Tramp für eine Rückkehr der Armut in ihr Land bereits gesorgt hat, indem er ein paar Tage nach seinem Amtseintritt die große amerikanische Hilfsorganisation USAID (United States Agency For International Development) abschaffte. Sie wurde 1961 gegründet und sorgte seit¬her für eine bessere Gesundheit und Ernährung in der dritten Welt: Kurz gefasst brachte USAID den unterentwickelten Ländern gerade das, was ihre eigenen Regierungen nicht fähig waren, für sie zu tun.
Die amerikanischen Angestellten von USAID/NEPAL wurden Ende Januar von Washington aufgefordert, sofort das Land zu verlassen, und es wurde ihnen verboten, sich vor ihrem Abflug nach Hause offiziell über die gerade aufgelöste Organisation zu äußern. Die Gesundheitsbehörden Nepals begaben sich sofort auf die Suche nach Ersatz bei den UN-Agenturen und anderen internationalen Großvereinen, die wegen der aktuellen Rezession jedoch weit davon entfernt waren, Beistand versprechen zu können. Die Regierung weiß ganz genau, dass spätestens beim Einsetzen des Monsuns im Juni, Katastrophen und Krankheiten Nepal wieder erschüttern werden und dass das Land ohne wirksame internationale Unterstützung, nicht fähig sein wird, schwierige Probleme zu lösen, besonders in den weit entfernten Regionen des Himalayas, wo medizinische Hilfe immer schwer zu leisten ist.
Meistens erfahren die Nepalesen nur durch die häufigen Demonstrationen in den größeren Städten, was gerade aktuell ist: Sie halten die Regierenden für korrupt und in¬kompetent und zeigen kein Interesse für ihre Streitigkeiten. Immer wieder wachen die Royalisten auf, und Tausende von ihnen marschieren dann regelmäßig auf den Straßen der Hauptstadt. Nach dem grausamen Massaker der gesamten königlichen Familie bei einem Familienessen am ersten Juni 2001 wurde der einzige Bruder des ermordeten Königs, Gyanendra, zum Regenten ernannt, und 2008 wurde die Monarchie endgültig abgeschafft. Dieser Massenmord bleibt bis heute ein Rätsel im Himalaya-Staat. In der Psyche der Nepalesen ist Gyanendra der böse Mörder seines Bruders und seiner Familie. Heute lebt er als 80-jähriger Mann in der Nähe von Kathman-du. König Birendra war zwar nur ein konstitutioneller Monarch, er war allerdings vom Volk sehr beliebt, zumal der König von Nepal schon immer als Reinkarnation des Gottes Vishnu galt.
Die heutigen Anhänger Gyanendras sind junge Leute, die zur Zeit des Massakers noch nicht geboren waren. Sie sind arbeitslos und träumen nur von einem neuen König, der Nepal zu einem florierenden Hindu-Staat machen soll. Fast täglich landen Charterflüge aus Amerika in Kathmandu und bringen die vielen dort illegal eingewanderten Nepalesen nach Hause zurück. Sie wurden in den USA gleich nach Trumps Amtseintritt verhaftet und werden jetzt abgeschoben. Es ist für sie eine große Schande, nicht als „reiche Männer" in der Heimat zurückzukehren und eine große Katastrophe für ihre Familien, die ruiniert dastehen, nachdem sie sehr viel Geld leihen mussten, um die hinterhältigen, skrupellosen „Reiseagenten" zu bezahlen, die behauptet hatten, den Lebenstraum ihrer Kinder ermöglichen zu können. Die gescheiterten jungen Leute füllen die großen Slums der Hauptstadt wie den Slum von Thapathali. Sie sind frustriert und natürlich arbeitslos. Meistens schlafen sie den ganzen Tag in ihrer Hütte, um Freunde und Nachbarn zu meiden. Es sind eher die Frauen, die in Thapathali die Familie ernähren und sich auf Baustellen als Steine- und Zementträgerinnen verdingen. Diese schweren Arbeiten müssten von Männern übernommen werden, aber die Frauen werden beim Einstellen bevorzugt, weil sie dabei viel weniger verdienen.
Da der Bürgermeister von Kathmandu den Slum nicht auflösen konnte, hat er in der Siedlung Strom installieren lassen. Die Menschen zahlen nichts, um in Thapathali zu wohnen, und trotzdem zögern die meisten von ihnen nicht, winzige Teile ihrer Hütte an andere Bedürftige für viel Geld zu vermieten, um etwas dazuzuverdienen. Einige der Männer arbeiten als Maler, wenn es Arbeit gibt. Ansonsten sitzen sie tagsüber zusammen, spielen Karten und trinken selbstgemachten Reisschnaps.
Unseren mit Vitaminen und Mineralien angereicherten Milchbrei geben wir nur noch an die Kinder von sehr armen alleinstehenden Frauen, weil unsere Finanzen uns nicht mehr erlauben, alle 500 Kinder des Slums damit zu versorgen. Auch die Schulgebühren zahlen wir für sie. Es ist mittlerweile in Kathmandu verboten, unter Zelten zu leben. Deshalb wurden die Madhesis - deren Lager im letzten Sommer von der Flut weggerissen wurde - nach außerhalb der Stadt verjagt. Trotz unserer Hilfe bleiben sie bitterarm. Sie heiraten in der eigenen Sippe untereinander und essen Ratten, weshalb sie von anderen Gruppen des Clans abgelehnt werden. Die Männer arbeiten, wenn sie etwas auf Baustellen zu tun finden. Die Frauen wiederum ziehen durch Kathmandu und betteln, um alte Kleidungsstücke zu sammeln, die sie dann zu Decken zusammennähen und verkaufen.
Kinder zu bekommen, bedeutet für sie Sicherheit fürs Alter, aber sie haben noch nicht verstanden, wozu es gut wäre, wenn diese in die Schule gingen. Damit sie alphabetisiert werden, kommen sie alle täglich nach Ghattagar, in die neuere Blechsiedlung unserer .Maute" - Leute, wo das Klassenzimmer tagsüber leer steht. Sushma unterrichtet sie dort im Rechnen, Schreiben und Lesen. Hier bekommen sie auch unseren wertvollen Milchbrei, den sie so dringend benötigen. Die Kinder der „Maute"- Siedlung gehen selbst seit Jahren in die Schule und wollen unbedingt bis zum Abitur lernen. Deshalb planen wir, sie weiter finanziell zu fördern, nachdem wir Ende 2026 unser Projekt eingestellt haben, bis sie ihre Schulzeit beendet haben.
Unsere ,Ghattagar-Maute" sind Jene Menschen, die in den letzten Jahren am meisten von unserer Arbeit in Kathmandu profitiert haben. Zehn Jahre hat es gedauert, bis die Sippe es geschafft hat, zu verstehen, wie wichtig Hygiene und Sauberkeit sind. Diese Entwicklung hat erst vor fünf Jahren so richtig angefangen, als sie in die Blechsiedlung gezogen waren, wo ihnen zum ersten Mal in ihrem Leben fließendes Wasser, Toiletten und Duschen zur Verfügung standen. Heute haben sie sich so sehr an diese neue Lebensart gewöhnt, dass sie sich nicht vorstellen könnten, noch einmal auf Müllhalden zu leben. Diese Menschen werden in eine Welt geboren, die, so denken sie, vom Karma und von den Göttern bestimmt wurde und wird. Die Kinder werden gestillt, bis sie drei oder vier Jahre alt sind. Sie leben völlig frei in ihrer Sippe. Sie werden nie bestraft und von allen sehr geliebt, aber in der Regel werden sie nicht gefördert, sodass sie „mehr" werden könnten als ihre Eltern. Sehr schwierig ist es für diese Erwachsenen, irgendwann zu begreifen, dass gutes Wohnen und Essen seinen Preis hat und dass man nicht ewig von anderen finanziell abhängen kann, wenn man weiterhin besser leben will. Und dies ist, was unsere Maute-Sippe am Ende gelernt hat. Seit drei Jahren haben wir sie langsam von unse-rem Beistand „abgewöhnt", ihnen gesagt, dass wir finanzielle Probleme hätten und dass wir nur noch die Kinder unterstützen könnten.
Wir waren gespannt auf ihre Reaktion und es war eine große Freude festzustellen, dass sie, ohne sich zu beklagen, jetzt für sich selbst sorgen und sogar selbst die Miete bezahlen, ohne je etwas von uns zu verlangen. Sie machen sich viel mehr Sorgen als früher, weil das Geldverdienen so schwer ist, aber sie bewahren dennoch ihre Fröhlichkeit und Freundlichkeit, die ihnen ohnehin angeboren sind und uns mehr bedeuten als ein Dankeschön. Das Dankeschön geht an Sie alle, die diese Arbeit durch Ihre treue Unterstützung überhaupt erst möglich machen!
Wir melden uns im Dezember wieder und schicken Ihnen dann die Spendenquittungen für 2025.
Ganz herzliche Grüße
Elisabeth Montet