Kinderhilfe Nepal e.V.


Rundbrief Mai, 2019

Liebe Freunde,

ob die Maoisten, die konservative Kongresspartei oder wie jetzt die Kommunisten das Land regieren, macht für die Nepalesen keinen Unterschied. Wer an die Macht kommt, organisiert sein eigenes Netz der Misswirtschaft und sorgt dafür, dass Geld in die Tasche der Politiker der eigenen Partei fließt. Daher ist die Korruption ein richtig institutionalisiertes System, das von den Wahlsiegern abwechselnd verwaltet wird.

Seit Nepal 2008 zur Bundesrepublik ausgerufen wurde, hofften die Provinzen außerhalb des Kathmandutals, mehr Autonomie zu erlangen, aber alles wird heute noch in Kathmandu entschieden. Die Provinzregierungen, die sich z.B. mit ausländischen NGOs über Hilfsprojekte geeinigt haben, warten monatelang auf die endgültige Genehmigung der Zentralregierung, und diese Wartezeit gefährdet die schon unterzeichneten Verträge oder verhindert sogar deren Verwirklichung: Kathmandu will, solange es geht, die Zügel des Landes fest halten.

Die Entwicklung Nepals setzt sich ansonsten unübersichtlich fort. Das Land leert sich weiterhin von seinen Einwohnern: Zurzeit ist Australien ein begehrtes Ziel für Menschen mit Ausbildung. Fünf unserer damaligen "Children's World" - Kinder leben heute in Sydney oder Melbourne, während diejenigen, die es nicht weit in der Schule gebracht haben, in den Emiraten, Korea und Portugal arbeiten. Eins unserer Mädchen war mit ihrem Mann besonders schlau: Beide haben ein Kind und genießen jetzt die Vorteile des Sozialstaates Frankreich, nachdem sie sich, wie schon viele vor ihnen, als tibetische Flüchtlinge ausgegeben haben.

Im Ausland integrieren sich die Nepalesen überhaupt nicht in ihrem neuen Gastland. Sie bleiben unter sich, zelebrieren zusammen ihre zahlreichen religiösen Feste und bemühen sich in Facebook vor Freunden und Verwandten in der Heimat mit einem Lebensstandard anzugeben, der eigentlich nicht so rosig ist, wie er auf den Fotos aussieht Aber sie schicken auch Geld nach Haus", und ihnen verdankt Nepal seine materielle Entwicklung.

Trotzdem bleiben die meisten zu Hause gebliebenen Nepalesen auf der Strecke: Das Land besitzt keine richtige medizinische Infrastruktur, und sogar in Kathmandu müssen Patienten monatelang auf notwendige, unbezahlbar gewordene Operationen warten.

In unserem Slum von Banshigat. wo wir seit Jahren unsere Arbeit verrichten, bleiben die meisten Kinder dank unserem mit Vitaminen und Mineralien angereicherten Milchbrei gesund. Eine Ausnahme bildet der drei Jahre alte Kayle.: Er leidet am nephrotischen Syndrom, das eine Schwellung des Körpers verursacht und ohne Behandlung tödlich ist. Sein Vater arbeitet auf Baustellen als Zement- und Steineträger, während seine Mutter Maiskolben auf der Straße röstet, um etwas dazu zu verdienen. Diese Menschen, die überhaupt nichts besitzen, haben schon 2000 € Schulden bei Nachbarn und Familienangehörigen. Eine Summe, die sie bestimmt nie zurückzahlen können. Nachdem wir den Arzt überzeugen konnten, auf ein Honorar zu verzichten, übernehmen wir ab jetzt die 100 € Medikamente, die Kayle monatlich braucht, um eine Chance auf Heilung zu bekommen.

Ohne den Kindergarten könnten die Mütter nicht arbeiten gehen und sie sind dafür sehr dankbar. Sie müssen zwar auf Baustellen harte Männerarbeit leisten oder als Hausmädchen in den Haushalten von indischen Familien dienen, aber sie können durch ihr mageres Einkommen allein oder mit ihrem Mann zusammen ihre Familie ernähren.

Vor einem Jahr freuten wir uns, als der Gebrauch von Plastiktüten in Nepal streng verboten wurde. Politiker und VIPs wetteiferten durch Säuberungsaktionen in Kathmandu vor den Kameras der Presse, und es wurde dann berichtet, wer wieviel Tonnen Abfall am Wochenende aus dem Bagmati Fluss entfernt hatte. Solche Artikel füllen heute die Zeitungen öfter als je zuvor, weil die Benutzung von Plastiktüten nämlich grundlos wieder erlaubt wurde.

Der Slum von Thapathali ist eigentlich selbst eine reine Plastiksiedlung, die jetzt fest in den Händen koreanischer Missionaren ist. Sie sind ein Dorn im Auge der nepalesischen Regierung, die sich bemüht, sie aus dem Land zu schaffen, weil sie meistens ohne Visa im Land verweilen. Besonders in Thapathali haben sie großen Einfluss: Nach dem Gottesdienst verteilen sie Essen und überwachen die Schularbeiten der Kinder. Ein Drittel der Siedlung ist bekehrt worden, und die neuen Christen berichten den anderen Slumbewohnern von den Wunderheilungen, die sie, meinen sie, durch Jesus Christus erfahren haben. Die Kinderhilfe Nepal versorgt hier die Kinder weiterhin mit dem angereicherten Milchbrei, zahlt deren Schulgebühren und bringt regelmäßig Trinkwasser für die 1500 Einwohner in die Siedlung, während Muna gleichzeitig für die Gesundheit der Kleinen sorgt.

In dem Dorf Mudhgku, in dem wir 20 erdbebensichere Häuser nach der Katastrophe von 2015 gebaut haben, leben die 60 restlichen Familien immer noch unter Blechhütten. Wir verfügen zwar nicht über die Mittel, weitere Häuser zu bauen, aber wir unterstützen das Dorf, soweit wir können. Letztes Jahr haben wir die 80 Haushalte mit einer 2 Km entfernten Wasserquelle verbunden, und die Bewohner brauchen nicht mehr die schweren Töpfe auf dem langen Weg zu tragen. Da der Wasserdruck für das große Wäschewaschen nicht reichte, haben wir den Leuten von Mudhku geholfen, eine Waschstelle zu bauen, die den Frauen die Arbeit erleichtert und gleichzeitig für sie ein willkommener Treffpunkt ist.

Im Maute Lager nahe an der Landebahn des Flughafens von Kathmandu herrscht trotz der besonders harten Lebensbedingungen nach wie vor pure Lebensfreude. Unsere Zeltschule funktioniert genauso wie eine "normale" Schule auch, und die Kinder erwarten pünktlich Muna und Sushma, die sich dort morgens und nachmittags abwechseln. Die etwa 50 Maute Leute, die bisher ihre Bedürfnisse ohne weiteres gleich neben ihrem Zelt erledigten, fangen an, die Vorteile der Toilette mit Klärgrube zu genießen, die wir für die Kinder nicht weit von den Zelten gebaut haben. Die Toilette steht von abends bis morgens der ganzen Gemeinschaft zur Verfügung. Alle wurden für die Sauberkeit des Ortes verantwortlich gemacht, und bis jetzt halten sie sich erstaunlicherweise daran. Die Kinder wurden von uns mit warmer Kleidung und Stiefeln zum Überwintern versorgt. Bis jetzt aßen diese Menschen direkt aus der Schüssel mit der Hand. Wie haben ihnen Teller, Löffel und Becher gegeben in der Hoffnung etwas mehr Hygiene in ihr Leben einzuführen, obwohl wir wissen, dass diese Essensgewohnheit bestimmt nicht leicht zu ändern sein wird...

Die Frauen freuten sich ganz besonders Ober einen Schnell-kochtopf, weil sie damit Holz für ihre Feuerstellen sparen können. Trotz des unhygienischen und übelriechenden Alltags der ehemaligen Nomaden macht uns die Arbeit mit Ihnen am meisten Freude. Wie haben uns an ihre Lebensart angepasst und ändern dort nur das, was sie zu ändern bereit sind. Geben wir ihnen etwas, freuen sie sich. Kommen wir zu ihnen mit leeren Händen, sind wir ihnen genauso willkommen. In den anderen Slums spüren wir ständig die Erwartungen der Bewohner. Hier nicht. Kürzlich meinten die Frauen, dass sie kaum begreifen konnten, dass es so weit weg von Ihrem Lager fremde Menschen geben könnte, die so viel Gutes für sie tun, während sie sonst daran gewöhnt sind, immer weggejagt zu werden. Sie fühlen sich vom Gott Ganesh, dem Hindu Elefantengott des Glücks, besonders gesegnet, sagen sie: Dies soll als freundliches Dankeschön für Sie alle gelten, die unseren Einsatz in Nepal schon so lange unterstützen.

Herzliche Grüße

Elisabeth Montet