Kinderhilfe Nepal e.V.


Rundbrief Mai, 2019

Liebe Freunde,

wer heute zum ersten Mal in Nepal ankommt, kann kaum glauben, dass der Himalaya-Staat immer noch zu den 16 ärmsten Ländern der Welt zählt: Kathmandu sieht zu dieser Jahreszeit wie jede indische Großstadt aus: Staub und Abgase sorgen dafür, dass die meisten Menschen in unerträglichen, endlosen Verkehrsstaus vergiftet werden, während sich eine immer größer werdende Ober- und Mittelschicht in teuren klimatisierten Wagen vor dem Übel schützt.

Anlässlich der letzten Wahlen wurde eine europäische Kommission aus 28 Ländern von der nepalesischen Regierung zur Beobachtung eingeladen. Diese machte einen insgesamt positiven Bericht, äußerte aber einige Empfehlungen, die, wenn sie befolgt würden, Nepal zu einer stärkeren Demokratie helfen würden. Die meisten politischen Parteien reagierten heftig, und der empörte kommunistische Premier Minister OLI bat die EU-Kommission, ihren Bericht umgehend zu korrigieren, denn ihre Äußerungen seien eine Einmischung in die internen Angelegenheiten seines Landes...

Nepal möchte jetzt als modernes Land international anerkannt werden. Deshalb wurde eine Frau zur repräsentativen Präsidentin des Staates gewählt, eine Geste, die nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die meisten Politiker aller Parteien nach wie vor Männer sind, die seit immer zu den dominanten Kasten und ethnischen Gruppen des Landes gehören. Anerkennen muss man aber, dass Premier Minister OH effektiver arbeitet als seine Vorgänger, indem er Entscheidungen trifft, die Nepal aus seiner Lethargie bestimmt helfen werden: Bis heute gab es in Nepal 64 offizielle Feiertage im Jahr, die mit den häufigen Streik- und Demonstrationstagen zusammen zwar viele Nepalesen erfreuten, beinahe sechs Monate lang aber das Leben des Landes lahmten. Jetzt werden sie sich alle mit nur noch 22 Feiertagen begnügen müssen...

Unsere Arbeit zu Gunsten bedürftiger Kinder geht in den Slums von Kathmandu weiter. Sie wird aber neuerdings von der Einmischung der Regierung immer mehr beeinträchtigt: Durch neue Gesetze will das Ministerium für Soziale Fragen jetzt kontrollieren, wie, wo, wann und warum Geld von internationalen Organisationen ausgegeben wird, und tut damit alles, um die Arbeit dieser großen oder kleinen Vereine zu erschweren. Nicht direkt Kinderhilfe Nepal wird von der nepalesischen Regierung überprüft, sondern ihre Schwesterorganisation "Nepal Association for Children's Care and Education", ohne deren Existenz unser Einsatz in Nepal nicht legal wäre. Unsere Mitarbeiterinnen Muna und Sushma vertreten die nepalesische Organisation und müssen immer mehr Zeit mit Papierkram und Schlangestehen in den Regierungsstellen verbringen. Jeder neue Einsatz muss ab jetzt beim Ministerium vorgetragen werden, deren Mitarbeiter Wochen und sogar Monate lang auf eine Genehmigung warten lassen. Wenn die Kin-derhilfe Nepal wortwörtlich diesen neuen Anordnungen folgen würde, müsste sie ihre Arbeit ' immer wieder für längere Zeit unterbrechen, bis die von der Regierung erhoffte Zustimmung kommt, und das tun wir keineswegs. In den letzten 30 Jahren haben wir immer bei allen verschiedenen politischen Ereignissen des Landes den richtigen Weg zu einer effizienten Unterstützung der nepalesischen Kinder gefunden, und das werden wir auch jetzt weiterhin tun.

Wir sind mit dem Erfolg unseres Einsatzes im Slum von BANSHIGAT besonders zufrieden. Kindergarten und Gesundheitsposten sind das Herz der Siedlung, und unsere Mitarbeiter am Ort sind eingeübt und zuverlässig. Auch die Einwohner dieses Slums wachsen und haben in den letzten 10 Jahren durch unseren Einfluss an Lebensqualität und Würde gewonnen. Durch unsere Kinderkrippe können die Mütter jetzt arbeiten gehen und tragen dazu bei, die Familie mit zu ernähren. Geldprobleme haben sie aber nach wie vor: Wir waren erstaunt, als die Mitarbeiter des Kindergartens uns um Hilfe baten, um Unterwäsche für die Kleinen zu kaufen. Manche machen noch ihre Hose nass, meinten sie... Am Ende erfuhren wir, dass die meisten Kinder, auch die Größeren, gar keine Unterhosen besaßen.

Einige Schwierigkeiten bereitet uns der Slum von THAPATHALI, weil die von den verschiedenen politischen Parteien unterstützten Gangs für eine feindliche Atmosphäre sorgen und ein Gefühl der Solidarität unter den Bewohnern verhindern. Wie in den anderen Slum-Gemeinschaften verteilen wir auch hier unseren nahrhaften Milchbrei an die Kinder und liefern regelmäßig Trinkwasser für die ganze Siedlung. Im letzten Brief sprachen wir von unserem Wunsch, die Bedürftigen dieses Slums von den "Wohlhabenderen" zu unterscheiden. Es ist nämlich aufschlussreich, sich das Innere der Plastikhütten anzuschauen: Manche verstecken teure, protzige Möbel, während in der Unterkunft der Ärmsten nicht einmal ein Bett steht. Es sind diese etwas besser betuchten Leute, deren modische Kleidung besonders auffällt, die Spannungen verursachen. Sie tun alles, um ihre "bessere" Situation vor uns zu verstecken und verlangen von uns genau dieselbe Behandlung wie diejenigen, die es wirklich brauchen. Wir überlegen uns oft, ob wir unseren Einsatz in diesem Slum nicht ganz beenden sollten, aber wir zögern immer wieder, weil wir wissen, wie schwer diese Entscheidung die armen Familien von Thapathali treffen würde.

Bei unseren sesshaft gewordenen MAUTE Nomaden ist eine richtige Entwicklung kaum zu spüren. Sie freuen sich immer auf unsere Unterstützung, sind aber genauso freundlich, wenn unsere Mitarbeiterinnen "einfach so" vorbeikommen. Die Mütter haben es satt, so viele Kinder zu bekommen, aber eine seriöse Familienplanung ist bei ihnen nicht möglich, weil sie die Pille vergessen, oder den Termin für die Dreimonatsspritze einfach verpassen. Eine von ihnen, die mit 19 Jahren schon drei Kinder hat, wäre bereit, eine Tubenligatur durchführen zu lassen, aber die Ärzten weigern sich, diese Operation vorzunehmen, weil sie zu jung ist... Die Männer erklären ganz offen, dass Empfängnisverhütung ausschließlich das Problem der Frauen sei. Auch für die Väter von 5 oder 6 Kindern kommt eine Vasektomie überhaupt nicht in Frage, weil diese ihre Männlichkeit zerstören würde, meinen sie... Trotzdem bespricht Muna immer wieder dieses Thema mit den Frauen und gibt ihnen mindestens Ratschläge zu einer besseren Hygiene. Die meisten Frauen dieser ethnischen Gruppe sind sehr schlank und haben nicht genug Milch, um ihre Neugeborenen ausreichend zu stillen. Deshalb versorgen wir jetzt! Babys, bis sie sechs Monate alt sind, mit einem in Nepal teuren, speziellen Milchpulver, sich sonst nie leisten könnten. Wenn die Kleinen 7 oder 8 Monate alt sind, können sie unseren mit Vitamin und Mineralien angereicherten Milchbrei zu sich nehmen.

Ungleich zu den Maute Leuten machen die Menschen von MUDHKU, wo wir 20 erdbebensichere Häuser nach der Katastrophe von 2015 gebaut haben, dauerhaft Fortschritte. Aber auch sie haben finanzielle Probleme und könnten die Zahnarztkosten für ihre Kinder niemals tragen. Für solche Fälle sind wir ihnen immer wieder behilflich.

Wir danken Ihnen sehr für Ihre treue Unterstützung bei unserem Einsatz in Kathmandu und melden uns Anfang

September wieder.

Ganz herzliche Grüße

Elisabeth Montet