Liee Freude
in diesem März gelang es der Sonne nur selten, durch den dichten Staub- und Abgasnebel, der über dem Tal von Kathmandu schwebte, durchzudringen. Trockengewitter, Staubtornados und der Mangel an Gas, Strom und sauberem Wasser erschwerten das Leben der Hauptstadtbewohner Kinder und alte Menschen mit chronischen Atembeschwerden füllten die Kassen der Krankenhäuser, deren Ärzte und Manager sich um Ihren Gewinn nie Sorgen zu machen brauchen, denn, wenn der Monsun im Juni eintrifft, wird die Luft zwar sauberer, aber die Magen- und Darm Infektionen durch verschmutztes Wasser werden den Profit dieser unzähligen privaten Einrichtungen weiterhin steigen lassen.
Die Belagerung Nepals durch die Madhesis, die im Süden des Landes die Haupthandelsstraßen nach Indien blockierten und sogar von den Indern unterstützt wurden, hat fast fünf Monate gedauert. Der nepalesische kommunistische Premierminister K.P. Sharma Oli blieb in dieser Zeit nicht untätig und bereitete ein großes Treffen mit dem chinesischen Ministerpräsident Li Keqiang vor. Einige Punkte in der neuen nepalesischen Konstitution wurden zu Gunsten der streikenden Madhesis geändert, aber nicht alle, und diese wollen für ihre Interessen weiterkämpfen, auch wenn Indien sie gebeten hat, den Streik aufzugeben.
Der große Staatsbesuch von K.P. Sharma Oli in Peking fand nämlich Anfang März statt, und Indien war alles andere als begeistert: es wurden allerlei Verträge unterschrieben, die z.B. Nepal Zugang zu allen chinesischen Häfen sichert. China verpflichtet sich, Straßen und eine Eisenbahnlinie zwischen den beiden Ländern durch den Himalaya zu bauen. Sogar ein zweiter internationaler Flughafen soll in der nepalesischen Touristenstadt Pokhara erstellt werden. Davon abgesehen wird China in Nepal investieren und verpflichtet sich, den kleinen Himalayastaat mit Benzin zu versorgen. All diese Verträge setzen ein Ende der indischen Herrschaft über Nepal und haben immerhin Indien dazu bewegt, vorsichtiger zu werden, indem es die Revolten der nepalesischen Madhesis im Süden des Landes jetzt nicht mehr unterstützt.
Durch seine geographische Lage ist Nepal dazu verurteilt, von den beiden Riesen abhängig zu sein. Es ist natürlich nicht umsonst, dass China dem kleinen Land so viel verspricht: als Gegenleistung erhalten die Chinesen die Genehmigung, die kostbaren unterirdischen Schätze des Himalayas für sich zu gewinnen, und es bietet ihnen selbstverständlich die Gelegenheit, Nepal zu kontrollieren.
Währenddessen bemühten sich die 500.000 nepalesischen Familien, die das Erdbeben überlebt hatten, ihren ersten harten Winter unter Plastikplanen zu überwinden. Ein Jahr nach dem großen Beben hat der Wiederaufbau des Landes nicht einmal angefangen. Die verantwortlichen Regierungsstellen behindern die Arbeit der Hilfsorganisationen, indem sie so viele Genehmigungen verlangen, dass die ausländischen Helfer anfangen, sich richtig zu ärgern, weil sie Ihre Arbeit nicht durchsetzen können. Die Länder, die sich verpflichtet haben, 4,4 Milliarden USD für den Wiederaufbau Nepals zur Verfügung zu stellen, wollen auch das Geld nur für seriöse, gut geplante Projekte freigeben. Also passiert nichts. Die Erdbebenopfer haben die Hoffnung verloren und bauen billige, unsichere Unterkünfte, aus Plastik, Wellblech und Lehm.
Diesen Schwierigkeiten sind wir entkommen, weil wir ganz früh im letzten September um diese Genehmigungen gekämpft haben. Zu dieser Zeit wusste keiner der Verantwortlichen in den Regierungsstellen, wie man mit dem Problem umgehen sollte. Und gerade diese Zeit haben wir genutzt, denn wer sich gegen die Passivität der nepalesischen Beamten mit gespielt naiver und emotionaler Hartnäckigkeit wehrt, kann nur gewinnen. Am Ende drohten wir, die ganze Summe für das Mudhku Projekt an die deutschen Spender zurückzugeben, weil die Nepalesen unfähig waren, uns die nötige offizielle Genehmigung für den Bau der 20 Häuser zu geben.
Die Verantwortlichen, die natürlich ein schönes Bakschisch für die Genehmigung erwarteten, gaben es am Ende auf und erteilten uns das ersehnte Dokument, nur um uns loszuwerden! Anfang Januar haben unsere drei Bauingenieure mit den Bauarbeiten in Mudhku angefangen. Die Arbeiter essen und schlafen in einem unserer Plastikzelte in Mudhku selbst, und im März war es eine schöne Überraschung festzustellen, dass die 20 Häuser im Rohbau den erdbebensicheren Kriterien entsprechend fertig waren. Bis Juni, bevor der Monsun eintrifft, sollen die Häuser bezugsfertig sein und 20 Familien vor dem heftigen Regen schützen. Die 50 Familien, die immer noch unter den von uns gebauten Plastikunterkünften leben, beklagen sich nicht. Nepalesen nehmen alles hin, wie es kommt oder nicht kommt. Es ist natürlich traurig, nicht mehr helfen zu können, aber der von den Medien bestimmte Alltag geht weiter, und die Erdbebenopfer aus Nepal sind schon längst vergessen.
Zumindest läuft die Tätigkeit des Projekts tüchtig weiter: die beiden Gesundheitspos-ten, der Kindergarten und die Alphabetisierungsschule für die Maute Kinder, deren Eltern sesshaft werden wollen, werden regelmäßig besucht. Wir versorgen die 300 Kinder mit unserem vitamin- und mineralreichen Milchbrei und liefern Trinkwasser in die beiden Slumsiedlungen dreimal in der Woche. Inzwischen bezahlen wir auch die Schulgebühren und Uniformen für 100 Kinder. Die Maute Nomaden lagern wieder an ihrem ehemaligen Platz in der Nähe des Flughafens, und wir versorgen sie hauptsächlich medizinisch. Sie sind für Veränderungen in ihrem hygienischen Alltag nicht offen, aber die Sorge um ihre Kinder lässt sie unsere medizinische Hilfe annehmen. Sushma und Muna kümmern sich gut um das Projekt. Anfang März freute sich Muna sehr über den Besuch der Gynäkologin Frau Dr. Anke Gaußmann aus dem St. Vinzenz Krankenhaus in Hanau. Sie untersuchte die Frauen aus den Slums von Banshigat und Thapathali und auch die Frauen aus dem Dorf Mudhku. Sie zeigte Muna, wie man eine gynäkologische Untersuchung durchführt und stärkte auf diese Weise ihr Selbstbewusstsein.
Wir freuen uns schon, Ihnen in unserem nächsten Infobrief Ende August die 20 fertigen erdbebensicheren Häuser von Mudhku zeigen zu können, die dank Ihrer Großzügigkeit gebaut werden konnten. Vielen Dank an Sie alle für Ihre Unterstützung!
Ganz herzliche Grüße
Elisabeth Montet