Kinderhilfe Nepal e.V.


Rundbrief Mai, 2007

Liebe Freunde,

ein ganzes Jahr haben die 8 Parteien Nepals gebraucht, um nach der Revolution vom April 2006, zu verhandeln und eine Interimsregierung zu bilden, die im nächsten Juni Nationalwahlen organisieren soll. Während es den Anführern der Maoisten Prachanda und Dr. Baburam Bhattarai, vor kurzem endlich gelang, 5 Ministerposten zu bekommen, obwohl sie von den Amerikanern nach wie vor als Terroristen bezeichnet werden, haben ethnische bewaffnete Gruppen angefangen, ihre Autonomie zu verlangen. Diese neuen Rebellen im Süden des Landes werden verdächtigt, vom König Gyanendra und dem Ausland unterstützt zu werden, damit Nepal nicht zur Ruhe kommt und die Maoisten als Verantwortliche für Massaker und Morde diffamiert werden können. In den vergangenen Monaten hat sich das Leben der Nepalesen drastisch verschlimmert: Zehntausende von jetzt "arbeitslosen" maoistischen Kämpfern kamen aus dem Dschungel nach Kathmandu und bemühen sich zu überleben, indem sie um Geldspenden bitten.

Auch in Children's World erschienen drei Soldatinnen und wollten ihre Kinder bei uns unterbringen. Die Kriminalität ist sehr stark gestiegen. Ehemalige Soldaten der nepalesischen Armee sowie frühere maoistische Rebellen sind im Besitz von Waffen, die sie an kriminelle Banden verkaufen. Die Korruption blüht mehr denn je. Währenddessen wächst die Angst unter dem Volk. Die ethnischen Unruhen paralysieren den Süden des Landes und die neuen Rebellen blockieren immer wieder die Hauptzufahrtsstraße nach Kathmandu, das sonst mit allen lebensnotwendigen Gütern aus Indien versorgt wird: es gibt immer wieder kein Benzin, kein Diesel und kein Gas. Der Strom wird sechs Stunden am Tag abgeschaltet, und wegen Wassermangels müssen auch wir in Children's World für 150 Euro im Monat Wasser kaufen, für den nepalesischen Lebensstandard eine Riesensumme, die sich kaum jemand leisten kann; z.B. beträgt das durchschnittliche monatliche Gehalt eines Lehrers nur 50 Euro.

Das Land wird seit einem Jahr sozusagen nicht mehr regiert. Der 85-jährige kranke Premierminister Girisad Prasad Koirala steht unter dem Druck Indiens und der USA, die die ehemaligen maoistischen Rebellen ablehnen, und die neuen Minister aus den 8 verschiedenen Parteien sind unfähig und nicht in der Lage, ihre Arbeit sachgemäß zu erledigen. Wenn es so unseriös weitergeht, der Korruption nicht ein Ende gesetzt wird und die Verschwörungen des Königs und des Auslandes nicht verhindert und verurteilt werden, so werden die Interessen des nepalesischen Volkes weiterhin an letzte Stelle kommen und das Land läuft Gefahr, bald in totale Anarchie zu versinken.

Unser Projekt läuft weiter, relativ ungestört von der miserablen politischen Situation. Das von Ihnen gespendete Geld lindert die Not der Kinder und der Menschen im Slum. Das Essen, das wir den Kindern schon lange täglich geben, macht sie gesund und stark. Sija ist von ihrem Einsatz in dieser Gemeinschaft richtig "besessen". Sie und ihr Team sind sogar in den offiziellen Schulferien dort tätig. Sie werden in dieser Zeit von unseren Kindern von Children's World unterstützt, indem sie Sonderaktivitäten wie Tanzen, Singen, Malen und Sport für die Slumkinder organisieren.

Wir haben alle Kinder gegen Hepatitis B impfen lassen und ihre Eltern eingeladen, für 2 Euro an der Impfaktion teilzunehmen. Nur sieben Menschen haben das Angebot angenommen. All die anderen sagten, sie hätten kein Geld. Sija, die jetzt jede Hütte und alle Familienverhältnisse kennt, hat dann nach Absprache mit uns heimlich Frauen und alte Menschen kostenlos impfen lassen, die sich diese Impfung wirklich nicht leisten konnten. Sija, eigentlich Leiterin der Schule, ist jetzt mehr als Sozialarbeiterin tätig. Alle Frauen kommen mit ihren Problemen zu ihr und bitten sie um Rat. Wenn sie sich krank fühlen, ist es oft so, dass es ihnen nach einem Gespräch mit Sija schon viel besser geht! Nachdem Abwasserrohre von uns gelegt worden waren und wir drei Brunnen gebohrt hatten, wo die Menschen ihre Wäsche waschen können, sind wir jetzt dabei, Leitungen zu installieren, um den ganzen Slum mit Trinkwasser zu versorgen. Dieses Wasser wird von der Regierung chemisch behandelt und ist deshalb sauberer als Wasser anderer Quellen.

Europäer können es kaum trinken, ohne krank zu werden, aber für das Immunsystem der Nepalesen ist es "reines" Wasser. Die Mütter haben seit langem von uns gelernt, wie man Wasser keimfrei macht, aber Lernen und Tun sind im Slum oft zwei verschiedene Sachen. Sija hat mit Fällen zu kämpfen, die sehr schwierig sind: Das viermonatige Baby Nur hat von Geburt an eine einzige Niere, die noch dazu nicht richtig funktionsfähig ist. Es hat jetzt ein wundes Loch mitten im Unterleib, durch das der Urin unter großen Schmerzen abfließt. Die Ärzte versuchen, die kranke Niere zu retten, und hoffen auf eine Transplantation.

Ein sehr schwieriger Fall, da Babynieren nicht leicht zu finden sind, und es in Nepal keine Datenbank für Transplantationen wie bei uns in Amsterdam gibt. Wir tragen die medizinischen Kosten für das kranke Baby. Mahima, Mutter von 4 Kindern musste dringend die Gebärmutter entfernt werden. Bimala Tamang (drei Kinder) mussten riesengroße Nierensteine heraus operiert werden. Diese zwei Frauen sowie das Baby wären ohne Ihre Unterstützung gestorben, denn wer in Nepal ernsthaft krank wird, muss sterben. Natürlich sind wir eine reine Kinderhilfsorganisation, aber sollen die Slumkinder zu Waisen werden, nur weil ihre Mütter sterbenskrank und mittellos waren?

Wir haben auch beschlossen, die Frauen aus dem Slum zu alphabetisieren und ihnen das Rechnen beizubringen, damit sie die Entwicklung ihrer Kinder besser verfolgen und selbständiger werden können. Sija weigerte sich, eine zusätzliche Kraft dafür einzustellen, weil sie denkt, dass jede Lehrerin, die "von außerhalb" käme, die Frauen von "oben" betrachten und sie deshalb sofort entmutigen würde. Also unterrichtet sie jetzt die Slumfrauen täglich von 16 bis 17 Uhr, während Samjhana, die auch aus Children's World stammt, auf ihre Kinder aufpasst. Die Frauen sind sehr stolz zu lernen und zeigen dabei großen Eifer.

In Children's World bemühen sich alle, mit dem Tod unseres 16-jährigen Pramods und unserer Hündin Lisbeth fertig zu werden, und wir hoffen, dass 2007 dem Haus mehr Glück bringen wird. Deepak arbeitet sehr ernsthaft an seinem Psychologiestudium in der amerikanischen Universität von Thailand. Santosh, Shree Krishna und Giri, lassen öfter per E-Mail aus der Flugakademie von Kalkutta von sich hören. Sie unterziehen sich einem sehr harten Persönlichkeitstraining, und es scheint, dass sie so gute Noten bekommen, dass sie in ein paar Monaten nach Ende des Studiums von einer Fluggesellschaft automatisch eingestellt werden.

Und da ist Nelson, der uns daran erinnert, wie schnell die Zeit vergeht; er wurde am 19. März 3 Jahre alt und alle seine "Ersatzeltern"(unsere großen Kinder) kamen, um zu feiern und ihn mit Geschenken zu überhäufen. Nelson ist unser aller Baby und wird verwöhnt, so sehr, wie noch kein Kind im Projekt es je wurde. Eine offizielle Identität hat er jedoch immer noch nicht, da er von seinen Eltern verlassen wurde, ein Problem, das immer noch zu regeln ist.

Hoffentlich vermitteln Ihnen diese Informationsbriefe, was Ihre Unterstützung für so viele Kinder und Menschen bedeutet. Ohne Sie würden mehr als 200 Kinder und deren Mütter im völligen Elend leben, und viele von ihnen wären sicher nicht mehr am Leben.

Danke in ihrem Namen, danke im Namen unserer Angestellten und auch unserer erwachsenen Kinder, denen jetzt wirklich bewusst ist, welch ein glücklicher Zufall es war, dass sie vor 18 Jahren den Weg in unser Hilfsprojekt fanden. Wir melden uns im August/September wieder.

Ganz herzliche Grüße und mit den besten Wünschen!

Elisabeth Montet