Kinderhilfe Nepal e.V.


Rundbrief April, 2010

Liebe Freunde,

Nichts bewegt sich in der verzwickten politischen Lage Nepals. Die Gesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Ban Ki-Moon arbeiten jetzt seit vier Jahren erfolglos an dem Friedensprozess zwischen den Maoisten und den anderen Parteien. Die maoistische Rebellenarmee, die der UN ihre Waffen schon längst übergeben hat. möchte in die Nationalarmee integriert werden, was von den übrigen Parteien strikt abgelehnt wird. Die UN weigert sich fairer Weise, die Zahl der im Dschungel lagernden Befreiungskämpfer zu veröffentlichen, weil die traditionellen Parteien den Maoisten keinen Schritt entgegen gehen wollen, obwohl die Ex-Rebellen bei den letzten Wahlen die absolute Mehrheit nur knapp verfehlt haben. Am liebsten würde die Regierung die Kommission der UN nach Hause schicken, weil sie im Verdacht steht, die Maoisten bevorzugt zu behandeln.

Die Situation ist blockiert; es wird nicht regiert, sondern nur endlos debattiert. Der Wassermangel und die 16 Stunden am Tag ohne Strom lähmen weiterhin das Leben des Landes. Jeder überlebt, wie er kann, ohne Rücksicht auf den Anderen. Die Kriminalität wächst:. Im Moment ist es geradezu modisch, Busse zu überfallen, zu verbrennen und dabei Menschen zu töten. Wer zufällig verhaftet wird, wird bald wieder entlassen, weil die Gefängnisse überfüllt sind. Die meisten Nepalesen können sich die Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten, die jetzt fast so teuer sind wie in Europa. Sie leben von Reis und Wasser und, wenn sie zu etwas Geld kommen, kochen sie eine Linsensauce und ein paar Gemüse dazu. Unsere 20 jährige Erfahrung mit unserem Projekt in Nepal hat uns gelehrt, dass Kinder, die als Babys schlecht ernährt wurden, nicht mehr in der Lage sind, später gute Schüler zu werden. Auch wenn sie im Alter von 5 Jahren eine ausgewogene Kost bekommen, sind die Schäden, die ihnen der Mangel an Vitaminen und Mineralien in ihren ersten Lebensjahren verursacht hat, irreversibel. Da die Mütter auch unterernährt sind, enthält ihre Milch auch nicht die gesunden Komponenten, die die Kleinen bräuchten, um ein normales Wachstum zu erleben.

Deshalb packen wir jetzt das Problem bei der Wurzel und beschäftigen uns damit, so viele Kleinkinder wie möglich täglich mit unserem Milchbrei zu füttern. Das Pulver, das wir mit der Milch vermischen, enthält alle notwendigen Vitamine und Mineralien, die ein gesundes Wachstum fördern. Leider ist dieses in Indien produzierte Pulver aber für die meisten Nepalesen völlig unbezahlbar. Es ist erstaunlich und erfreulich zu beobachten, wie die Kinder dadurch innerhalb von 3 Monaten stark werden und wie schnell sie wachsen. Aus diesem Grund haben wir unser Ernährungsprogramm und unsere medizinische Versorgung auf zwei andere kleinere Slumgebiete ausgeweitet.

Djayanti aus Banshighat und Sija fiel es leicht, die neuen verantwortlichen Frauen Sri Kumari und Maya in den Slums von Palpakot und Smakhusi in die Aufgaben einzuführen, das Essen zu kochen und für eine effektive Hygiene zu sorgen. Sija fährt mit ihrem Skooter von Slum zu Slum, bringt deren Einwohnern die Medikamente, die sie brauchen, und versorgt die vielen schlecht heilenden Wunden und Geschwüre. Dieses Mal organisierten die Frauen von Banshigat, die sich am Anfang uns gegenüber etwas misstrauisch verhielten, ein kleines Fest, bei dem sie sich für die Unterstützung der Kinderhilfe Nepal in ihrem Slum herzlich bedankten. Es war rührend, die Hoffnung in den Augen dieser Frauen zu sehen, die, weil ihre Babys jetzt gut in unserem Kindergarten aufgehoben sind, auf Baustellen arbeiten gehen können, um ihrer Familie jeden Abend ein Minimum an Essen zu bieten. Wir haben gemeinsam über wichtige Pläne für die Zukunft gesprochen und beschlossen, bis zum nächsten Besuch aus Deutschland im Juni eine neue und sichere elektrische Verkabelung der ganzen Slumsiedlung von Bangshighat zu installieren: In ganz Nepal hängen die elektrischen Kabel chaotisch herum, jeder kann sie anfassen, und in den Slums gibt es wegen der Blechdächer, die sich immer wieder plötzlich aufladen, zu oft schlimme Unfälle durch Stromschläge. Diese Sicherheit kostet uns zwar 1000 Euro, die aber gut angelegt sind.

Wir haben auch in Banshigat ein Klassenzimmer eingerichtet, in dem die Kinder der ethnischen Gruppe der Maute tagsüber Rechnen, Lesen und Schreiben lernen. Die Maute-Menschen gehören zu einer Nomadenkaste, die traditionell unter Zelten lebt und sich Essen verschafft, indem sie ihre Kinder zum Betteln schickt. Viele von ihnen verbringen inzwischen den kalten Winter in Slums, bevor sie im Frühjahr weiterziehen. Im letzten November hatten wir mit den Eltern dieser Kinder einen Vertrag ausgehandelt: Wir alphabetisieren und unterrichten ihre Kinder, wenn sie dafür die Kleinen nicht mehr zum Betteln schicken. Wir waren sehr erstaunt festzustellen, dass die Kinder seit drei Monaten regelmäßig in unsere "Schule" kommen und nicht mehr betteln gehen! Es sind schwierige, sehr lebhafte und ungezogene Kinder, die Sija jeden Morgen daran erinnern muss, dass sie sauber sein müssen. Immer seltener müssen sie vor Beginn des Unterrichts nach Hause geschickt werden, um sich zu waschen, und sie zeigen viel Freude am Lernen und am Leben überhaupt! Abends steht das Klassenzimmer nicht leer, denn 70 der eingeschulten Mädchen und Jungen des Slums bekommen vom Lehrer Ramesh in drei Schichten Hilfe bei ihren Hausaufgaben.

Ein Dutzend Jugendliche aus unserem ehemaligen "Children's World" unterstützen wir noch für 2 Jahre bei ihren Studien als Gesundheitsassistenten. Deepak beendet seinen Bachelor in Psychologie in Thai- land, die blinde Goma ihren BA in Englisch in Dehli, und Tenzing, Smita und Rita kommen mit ihrem Studium als Physiotherapeuten und Krankenschwester in Bangalore gut voran. Auch die 45 Kinder des Pathivaraslums, in dem wir 5 Jahre lang gearbeitet haben, schwänzen die Schule nicht, für die wir die Gebühren bezahlen, weil sie wissen, dass wir sonst mit unserer Unterstützung aufhören würden. Sija belegt im Moment einen Kurs über die Psychologie von Kleinkindern, der den Mitarbeitern von neuen äußerst luxuriösen Kindergärten für Ministerkinder und Reiche angeboten wird. Sie verwendet aber ihre neuen Kenntnisse in den Slums, wo sie ihre Mitarbeiter weiter fortbildet.

Wir können mit Freude sagen, dass wir dank Ihrer Hilfe zur Zeit eine besonders effiziente Arbeit leisten, die den Ärmsten in den Slums von Kathmandu zu Gute kommt und deren Kindern für die Zukunft eine echte Chance gibt.

Ihnen allen vielen Dank für Ihre Unterstützung und bis zum nächsten Brief alles Gute und Liebe!

Elisabeth Montet