Liebe Freunde,
Nepal, das zwischen den zwei rasend wachsenden Großmächten
China und Indien eingezwängt liegt, hätte an und für
sich alles, um ein wohlhabendes Land zu werden. Seit eh und je stehen
die großen Wasserreserven des Himalayas dem Land zur Verfügung,
und ein wohl bedachter Ökotourismus könnte ebenfalls den Nepalesen
zum Wohlstand verhelfen. Wegen der hierzulande andauernden politischen
Instabilität sind ausländische Firmen aber nicht gerade geneigt,
in Nepal zu investieren. Premierminister Oli tut zur Zeit sein Bestes,
um die Beziehung zu Indien zu verbessern, und versucht dabei, sein Land
finanziell attraktiv zu machen, wohl wissend, dass der große Nachbar,
der unter extremer Trockenheit leidet, großes Interesse an dem
Wasserpotential des Himalaya-Staats hat.
Bei all diesen Ressourcen bleibt der Wassermangel nach wie vor das größte
Problem der Nepalesen im Kathmandutal und in den Ebenen. In dem Dorf
MUDHKU, in dem wir nach der großen Katastrophe von 2015 erdbebensichere
Häuser für 20 Familien gebaut haben, müssen die 350 Bewohner
zwei Kilometer durch die Hügel auf und ab gehen, um Wasser an einer
2 Kilometer entfernten Wasserstelle zu holen. Dieses Wasser kommt durch
eine schon existierende Kanalisation direkt aus einer 3 Kilometer entlegenen
Waldquelle. Die starken Plastikrohre, die notwendig wären, um das
Dorf an diesem Rohr anzuschließen kosten aber 5000 €, und
die Mudhku Bewohner haben dieses Geld einfach nicht. Zementrohre zu
benutzen würde die Kosten mehr als verdreifachen und wäre
außerdem sinnlos, weil die Erdschichten sich durch die häufigen
kleinen Erdbeben ständig verschieben und die Quellen sich dann
verlagern. Die Regierung ist wieder einmal nicht bereit, ihren Beitrag
zu leisten.
Wie die meisten Nepalesen lieben die Bewohner von Mudhku religiöse
Rituale, bei denen sie den Göttern ihr erbrachtes Opfer in Form
von Blumen, Obst und Räucherwerk anbieten und sich dafür ein
besseres Leben erhoffen. Dieses Mal müssen die Götter besonders
gnädig gewesen sein, denn einer unserer langjährigen großzügigen
Spender hat sich schon bereit erklärt, die Kosten für die
Wasserrohre zu tragen. In den 20 von uns neugebauten Häusern werden
zwanzig Familien endlich ihr kleines Badezimmer benutzen und ihre Wäsche
zu Hause waschen können.
Wegen der Feindseligkeit, die wir bei unserer Arbeit im Slum von THAPATHALI
schon länger zu spüren bekommen, fand dort ein Treffen von
unseren Mitarbeiterinnen Muna und Sushma mit dem "Slumkomitee"
statt. Die Verantwortlichen konnten keine Erklärung für die
in dieser Siedlung unangenehme Atmosphäre liefern, versprachen
aber, dass die Slumbewohner sich in Zukunft kooperativ zeigen würden,
anstatt uns die Arbeit durch ihre Unfreundlichkeit zu erschweren. Sie
meinten auch großtuerisch, dass wir unsere Hilfsgelder besser
verwenden könnten, wenn wir für ihre Kinder die Schulgebühren
bezahlen würden, anstatt das Geld für den teuren Milchbrei
zu verschwenden.
Dass aber dieser nahrhafte Brei mit seinen Vitaminen und Mineralien
für eine gute geistige und körperliche Entwicklung ihrer Kleinen
unentbehrlich ist, interessiert die Eltern wenig. Hauptsache sie empfinden
Stolz, wenn sie jeden Morgen ihre süßen Sprösslinge
adrett in ihren teuren Uniformen in die Schule gehen sehen, auch wenn
die Kleinen mit zwei Tellern Reis am Tag unterernährt sind und
wenig Chancen zu einer glorreichen Zukunft vor sich haben.
Wir tragen schon die Schulgebühren für 300 Kinder unseres
Projekts, und nicht ALLE Bewohner von Thapathali sind so schrecklich
arm, dass sie diese Gebühren nicht selbst bezahlen könnten.
Die Regierung ist jetzt dabei, die Bewohner aller Slums zu registrieren.
Thapathali müsste zuerst umgesiedelt werden, weil der Staat vor
5 Jahren die festen Unterkünfte, die die Bewohner gebaut hatten,
mit Bulldozern zerstören ließ. Es waren schon vor dem Erdbeben
von 2015 neue Unterkünfte für sie gebaut worden, die nach
der Katastrophe kürzlich endlich renoviert wurden. Laut der Staatsvertreter
sollen ab jetzt nur die Familien, die nicht mehr als 350 € im Jahr
verdienen, als bedürftig bezeichnet und offiziell als Slumbewohner
anerkannt werden. Eine unglaublich lächerliche Summe, wenn man
bedenkt, dass kaum eine Familie in Nepal mit so wenig Geld überleben
könnte!
Theoretisch müssten alle anderen Slumleute bald die Ufer des Bagmati
Flusses verlassen. Die Gesamtheit der Bewohner weigert sich aber, ihre
miserablen Lebensbedingungen aufzugeben: Die Wohnungen dieser neuen
Siedlung seien zu klein, zu weit entfernt von der Stadtmitte, und außerdem
müssten sie dann Miete zahlen, meinen sie.
Andererseits revoltieren die armen Menschen, die in der Nähe dieser
neuen Gebäude leben, und wollen selbst dort einziehen. Folgendes
wird mit höchster Wahrscheinlichkeit passieren: Die Beamten werden
zwar anfangen, die Leute zu registrieren, es ist aber davon auszugehen,
dass dieses Umsiedlungsvorhaben noch lange nicht durchgeführt wird.
Der Slum von BANSHIGAT bleibt nach wie vor unser Vorzeigeslum: Durch
den Einfluss unserer jahrelangen Arbeit ist die Siedlung jetzt sauberer
als andere Slums, und die meisten Behausungen sind mit festen Materialien
gebaut. Unser Kindergarten, unsere Alphabetisierungs Klasse und der
Gesundheitsposten geben dem Besucher ein gutes Bild von unserem Tun
in Kathmandu.
Aber auch wenn die Banshigat Bewohner sich gut entwickelt haben, unterscheidet
sich ihre Moralvorstellung gänzlich von unserer: Wie in anderen
Slums auch, haben diejenigen, die seit langer Zeit hier ein kleines
Stück Land für sich in Anspruch genommen haben, in der letzten
Zeit noch mehr Räume gebaut, um sie an Erdbeben- und Erdlawinenopfer
für viel Geld zu vermieten. In jedem kleinen Zimmer wohnen sechs
bis sieben Leute. Öffentliches Land zu besetzen und es als das
eigene zu betrachten, würden wir, Europäer, als illegal ansehen.
Aber dieses Land zu benutzen, um sich an vom Schicksal geplagten Menschen
zu bereichern, würden viele von uns als unmoralisch bezeichnen.
Wenn wir dies den Slumbewohnern sagen, schauen sie uns völlig verblüfft
und verständnislos an.
Unsere "MAUTE" Nomaden, die eigentlich keine mehr sind, obwohl
sie immer noch unter Zelten nahe am Flughafen Kathmandus leben, sind
nach wie vor zufrieden und lebensfroh. Sie können vor lauter Staub
und Abgasen der stark befahrenen Straße, an der sie unmittelbar
lagern, kaum atmen, merken es aber nicht einmal. Sie werden von den
startenden und landenden Maschinen von Kerosinpartikeln regelrecht begossen,
und wenn wir sie darum bitten, zum Wohle ihrer Kinder eine bessere Lagerstelle
zu suchen, sagen sie, wir sollten uns doch keine Sorgen machen, all
dies würde sie nicht stören und gehöre zum Leben.
Eine andere plötzlich aufgetauchte Maute Sippe betreibt nebenan
eine Schweinezucht, so dass üble Gerüche und Bakterien dazu
beitragen, das Leben der Menschen dort so unhygienisch wie möglich
zu machen. Dies stört die Lebensfreude unserer "Freunde"
nicht. Sie nehmen unsere Unterstützung dankbar an, und die Frauen
vergessen immerhin nicht, ihre Kleinen täglich mit unserem Milchbrei
zu versorgen, weil sie jetzt begriffen haben, wie wichtig das für
ihre Kinder ist. Es ist eigentlich erstaunlich, wie wenig anfällig
sie alle für Krankheiten sind, als wären ihre Lebensumstände
die beste Impfvorsorge der Welt!
Vielen Dank an Sie alle, die die Arbeit der Kinderhilfe Nepal in Kathmandu
und Mudhku weiterhin so treu unterstützen! Die Spendenquittungen
für dieses Jahr schicken wir Ihnen im Dezember.
Herzliche Grüße
Herzliche Grüße
Elisabeth Montet
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