Liebe Freunde,
ob die Maoisten, die konservative Kongresspartei oder wie jetzt die
Kommunisten das Land regieren, macht für die Nepalesen keinen Unterschied.
Wer an die Macht kommt, organisiert sein eigenes Netz der Misswirtschaft
und sorgt dafür, dass Geld in die Tasche der Politiker der eigenen
Partei fließt. Daher ist die Korruption ein richtig institutionalisiertes
System, das von den Wahlsiegern abwechselnd verwaltet wird.
Seit Nepal 2008 zur Bundesrepublik ausgerufen wurde, hofften die Provinzen
außerhalb des Kathmandutals, mehr Autonomie zu erlangen, aber
alles wird heute noch in Kathmandu entschieden. Die Provinzregierungen,
die sich z.B. mit ausländischen NGOs über Hilfsprojekte geeinigt
haben, warten monatelang auf die endgültige Genehmigung der Zentralregierung,
und diese Wartezeit gefährdet die schon unterzeichneten Verträge
oder verhindert sogar deren Verwirklichung: Kathmandu will, solange
es geht, die Zügel des Landes fest halten.
Die Entwicklung Nepals setzt sich ansonsten unübersichtlich fort.
Das Land leert sich weiterhin von seinen Einwohnern: Zurzeit ist Australien
ein begehrtes Ziel für Menschen mit Ausbildung. Fünf unserer
damaligen "Children's World" - Kinder leben heute in Sydney
oder Melbourne, während diejenigen, die es nicht weit in der Schule
gebracht haben, in den Emiraten, Korea und Portugal arbeiten. Eins unserer
Mädchen war mit ihrem Mann besonders schlau: Beide haben ein Kind
und genießen jetzt die Vorteile des Sozialstaates Frankreich,
nachdem sie sich, wie schon viele vor ihnen, als tibetische Flüchtlinge
ausgegeben haben.
Im Ausland integrieren sich die Nepalesen überhaupt nicht in ihrem
neuen Gastland. Sie bleiben unter sich, zelebrieren zusammen ihre zahlreichen
religiösen Feste und bemühen sich in Facebook vor Freunden
und Verwandten in der Heimat mit einem Lebensstandard anzugeben, der
eigentlich nicht so rosig ist, wie er auf den Fotos aussieht Aber sie
schicken auch Geld nach Haus", und ihnen verdankt Nepal seine materielle
Entwicklung.
Trotzdem bleiben die meisten zu Hause gebliebenen Nepalesen auf der
Strecke: Das Land besitzt keine richtige medizinische Infrastruktur,
und sogar in Kathmandu müssen Patienten monatelang auf notwendige,
unbezahlbar gewordene Operationen warten.
In unserem Slum von Banshigat. wo wir seit Jahren unsere Arbeit verrichten,
bleiben die meisten Kinder dank unserem mit Vitaminen und Mineralien
angereicherten Milchbrei gesund. Eine Ausnahme bildet der drei Jahre
alte Kayle.: Er leidet am nephrotischen Syndrom, das eine Schwellung
des Körpers verursacht und ohne Behandlung tödlich ist. Sein
Vater arbeitet auf Baustellen als Zement- und Steineträger, während
seine Mutter Maiskolben auf der Straße röstet, um etwas dazu
zu verdienen. Diese Menschen, die überhaupt nichts besitzen, haben
schon 2000 € Schulden bei Nachbarn und Familienangehörigen.
Eine Summe, die sie bestimmt nie zurückzahlen können. Nachdem
wir den Arzt überzeugen konnten, auf ein Honorar zu verzichten,
übernehmen wir ab jetzt die 100 € Medikamente, die Kayle monatlich
braucht, um eine Chance auf Heilung zu bekommen.
Ohne den Kindergarten könnten die Mütter nicht arbeiten gehen
und sie sind dafür sehr dankbar. Sie müssen zwar auf Baustellen
harte Männerarbeit leisten oder als Hausmädchen in den Haushalten
von indischen Familien dienen, aber sie können durch ihr mageres
Einkommen allein oder mit ihrem Mann zusammen ihre Familie ernähren.
Vor einem Jahr freuten wir uns, als der Gebrauch von Plastiktüten
in Nepal streng verboten wurde. Politiker und VIPs wetteiferten durch
Säuberungsaktionen in Kathmandu vor den Kameras der Presse, und
es wurde dann berichtet, wer wieviel Tonnen Abfall am Wochenende aus
dem Bagmati Fluss entfernt hatte. Solche Artikel füllen heute die
Zeitungen öfter als je zuvor, weil die Benutzung von Plastiktüten
nämlich grundlos wieder erlaubt wurde.
Der Slum von Thapathali ist eigentlich selbst eine reine Plastiksiedlung,
die jetzt fest in den Händen koreanischer Missionaren ist. Sie
sind ein Dorn im Auge der nepalesischen Regierung, die sich bemüht,
sie aus dem Land zu schaffen, weil sie meistens ohne Visa im Land verweilen.
Besonders in Thapathali haben sie großen Einfluss: Nach dem Gottesdienst
verteilen sie Essen und überwachen die Schularbeiten der Kinder.
Ein Drittel der Siedlung ist bekehrt worden, und die neuen Christen
berichten den anderen Slumbewohnern von den Wunderheilungen, die sie,
meinen sie, durch Jesus Christus erfahren haben. Die Kinderhilfe Nepal
versorgt hier die Kinder weiterhin mit dem angereicherten Milchbrei,
zahlt deren Schulgebühren und bringt regelmäßig Trinkwasser
für die 1500 Einwohner in die Siedlung, während Muna gleichzeitig
für die Gesundheit der Kleinen sorgt.
In dem Dorf Mudhgku, in dem wir 20 erdbebensichere Häuser nach
der Katastrophe von 2015 gebaut haben, leben die 60 restlichen Familien
immer noch unter Blechhütten. Wir verfügen zwar nicht über
die Mittel, weitere Häuser zu bauen, aber wir unterstützen
das Dorf, soweit wir können. Letztes Jahr haben wir die 80 Haushalte
mit einer 2 Km entfernten Wasserquelle verbunden, und die Bewohner brauchen
nicht mehr die schweren Töpfe auf dem langen Weg zu tragen. Da
der Wasserdruck für das große Wäschewaschen nicht reichte,
haben wir den Leuten von Mudhku geholfen, eine Waschstelle zu bauen,
die den Frauen die Arbeit erleichtert und gleichzeitig für sie
ein willkommener Treffpunkt ist.
Im Maute Lager nahe an der Landebahn des Flughafens von Kathmandu herrscht
trotz der besonders harten Lebensbedingungen nach wie vor pure Lebensfreude.
Unsere Zeltschule funktioniert genauso wie eine "normale"
Schule auch, und die Kinder erwarten pünktlich Muna und Sushma,
die sich dort morgens und nachmittags abwechseln. Die etwa 50 Maute
Leute, die bisher ihre Bedürfnisse ohne weiteres gleich neben ihrem
Zelt erledigten, fangen an, die Vorteile der Toilette mit Klärgrube
zu genießen, die wir für die Kinder nicht weit von den Zelten
gebaut haben. Die Toilette steht von abends bis morgens der ganzen Gemeinschaft
zur Verfügung. Alle wurden für die Sauberkeit des Ortes verantwortlich
gemacht, und bis jetzt halten sie sich erstaunlicherweise daran. Die
Kinder wurden von uns mit warmer Kleidung und Stiefeln zum Überwintern
versorgt. Bis jetzt aßen diese Menschen direkt aus der Schüssel
mit der Hand. Wie haben ihnen Teller, Löffel und Becher gegeben
in der Hoffnung etwas mehr Hygiene in ihr Leben einzuführen, obwohl
wir wissen, dass diese Essensgewohnheit bestimmt nicht leicht zu ändern
sein wird...
Die Frauen freuten sich ganz besonders Ober einen Schnell-kochtopf,
weil sie damit Holz für ihre Feuerstellen sparen können. Trotz
des unhygienischen und übelriechenden Alltags der ehemaligen Nomaden
macht uns die Arbeit mit Ihnen am meisten Freude. Wie haben uns an ihre
Lebensart angepasst und ändern dort nur das, was sie zu ändern
bereit sind. Geben wir ihnen etwas, freuen sie sich. Kommen wir zu ihnen
mit leeren Händen, sind wir ihnen genauso willkommen. In den anderen
Slums spüren wir ständig die Erwartungen der Bewohner. Hier
nicht. Kürzlich meinten die Frauen, dass sie kaum begreifen konnten,
dass es so weit weg von Ihrem Lager fremde Menschen geben könnte,
die so viel Gutes für sie tun, während sie sonst daran gewöhnt
sind, immer weggejagt zu werden. Sie fühlen sich vom Gott Ganesh,
dem Hindu Elefantengott des Glücks, besonders gesegnet, sagen sie:
Dies soll als freundliches Dankeschön für Sie alle gelten,
die unseren Einsatz in Nepal schon so lange unterstützen.
Herzliche Grüße
Elisabeth
Montet
|