Frankfurt,
Ende April 2016
Liebe Freunde,
in diesem März gelang es der Sonne nur selten, durch den dichten
Staub- und Abgasnebel, der über dem Tal von Kathmandu schwebte,
durchzudringen. Trockengewitter, Staubtornados und der Mangel an Gas,
Strom und sauberem Wasser erschwerten das Leben der Hauptstadtbewohner
Kinder und alte Menschen mit chronischen Atembeschwerden füllten
die Kassen der Krankenhäuser, deren Ärzte und Manager sich
um Ihren Gewinn nie Sorgen zu machen brauchen, denn, wenn der Monsun
im Juni eintrifft, wird die Luft zwar sauberer, aber die Magen- und
Darm Infektionen durch verschmutztes Wasser werden den Profit dieser
unzähligen privaten Einrichtungen weiterhin steigen lassen.
Die Belagerung
Nepals durch die Madhesis, die im Süden des Landes die Haupthandelsstraßen
nach Indien blockierten und sogar von den Indern unterstützt wurden,
hat fast fünf Monate gedauert. Der nepalesische kommunistische
Premierminister K.P. Sharma Oli blieb in dieser Zeit nicht untätig
und bereitete ein großes Treffen mit dem chinesischen Ministerpräsident
Li Keqiang vor. Einige Punkte in der neuen nepalesischen Konstitution
wurden zu Gunsten der streikenden Madhesis geändert, aber nicht
alle, und diese wollen für ihre Interessen weiterkämpfen,
auch wenn Indien sie gebeten hat, den Streik aufzugeben.
Der große
Staatsbesuch von K.P. Sharma Oli in Peking fand nämlich Anfang
März statt, und Indien war alles andere als begeistert: es wurden
allerlei Verträge unterschrieben, die z.B. Nepal Zugang zu allen
chinesischen Häfen sichert. China verpflichtet sich, Straßen
und eine Eisenbahnlinie zwischen den beiden Ländern durch den Himalaya
zu bauen. Sogar ein zweiter internationaler Flughafen soll in der nepalesischen
Touristenstadt Pokhara erstellt werden. Davon abgesehen wird China in
Nepal investieren und verpflichtet sich, den kleinen Himalayastaat mit
Benzin zu versorgen. All diese Verträge setzen ein Ende der indischen
Herrschaft über Nepal und haben immerhin Indien dazu bewegt, vorsichtiger
zu werden, indem es die Revolten der nepalesischen Madhesis im Süden
des Landes jetzt nicht mehr unterstützt.
Durch seine
geographische Lage ist Nepal dazu verurteilt, von den beiden Riesen
abhängig zu sein. Es ist natürlich nicht umsonst, dass China
dem kleinen Land so viel verspricht: als Gegenleistung erhalten die
Chinesen die Genehmigung, die kostbaren unterirdischen Schätze
des Himalayas für sich zu gewinnen, und es bietet ihnen selbstverständlich
die Gelegenheit, Nepal zu kontrollieren.
Währenddessen bemühten sich die 500.000 nepalesischen Familien,
die das Erdbeben überlebt hatten, ihren ersten harten Winter unter
Plastikplanen zu überwinden. Ein Jahr nach dem großen Beben
hat der Wiederaufbau des Landes nicht einmal angefangen. Die verantwortlichen
Regierungsstellen behindern die Arbeit der Hilfsorganisationen, indem
sie so viele Genehmigungen verlangen, dass die ausländischen Helfer
anfangen, sich richtig zu ärgern, weil sie Ihre Arbeit nicht durchsetzen
können. Die Länder, die sich verpflichtet haben, 4,4 Milliarden
USD für den Wiederaufbau Nepals zur Verfügung zu stellen,
wollen auch das Geld nur für seriöse, gut geplante Projekte
freigeben. Also passiert nichts. Die Erdbebenopfer haben die Hoffnung
verloren und bauen billige, unsichere Unterkünfte, aus Plastik,
Wellblech und Lehm.
Diesen Schwierigkeiten sind wir entkommen, weil wir ganz früh im
letzten September um diese Genehmigungen gekämpft haben. Zu dieser
Zeit wusste keiner der Verantwortlichen in den Regierungsstellen, wie
man mit dem Problem umgehen sollte. Und gerade diese Zeit haben wir
genutzt, denn wer sich gegen die Passivität der nepalesischen Beamten
mit gespielt naiver und emotionaler Hartnäckigkeit wehrt, kann
nur gewinnen. Am Ende drohten wir, die ganze Summe für das Mudhku
Projekt an die deutschen Spender zurückzugeben, weil die Nepalesen
unfähig waren, uns die nötige offizielle Genehmigung für
den Bau der 20 Häuser zu geben.
Die Verantwortlichen, die natürlich ein schönes Bakschisch
für die Genehmigung erwarteten, gaben es am Ende auf und erteilten
uns das ersehnte Dokument, nur um uns loszuwerden! Anfang Januar haben
unsere drei Bauingenieure mit den Bauarbeiten in Mudhku angefangen.
Die Arbeiter essen und schlafen in einem unserer Plastikzelte in Mudhku
selbst, und im März war es eine schöne Überraschung festzustellen,
dass die 20 Häuser im Rohbau den erdbebensicheren Kriterien entsprechend
fertig waren. Bis Juni, bevor der Monsun eintrifft, sollen die Häuser
bezugsfertig sein und 20 Familien vor dem heftigen Regen schützen.
Die 50 Familien, die immer noch unter den von uns gebauten Plastikunterkünften
leben, beklagen sich nicht. Nepalesen nehmen alles hin, wie es kommt
oder nicht kommt. Es ist natürlich traurig, nicht mehr helfen zu
können, aber der von den Medien bestimmte Alltag geht weiter, und
die Erdbebenopfer aus Nepal sind schon längst vergessen.
Zumindest läuft die Tätigkeit des Projekts tüchtig weiter:
die beiden Gesundheitspos-ten, der Kindergarten und die Alphabetisierungsschule
für die Maute Kinder, deren Eltern sesshaft werden wollen, werden
regelmäßig besucht. Wir versorgen die 300 Kinder mit unserem
vitamin- und mineralreichen Milchbrei und liefern Trinkwasser in die
beiden Slumsiedlungen dreimal in der Woche. Inzwischen bezahlen wir
auch die Schulgebühren und Uniformen für 100 Kinder.
Die Maute Nomaden lagern wieder an ihrem ehemaligen Platz in der Nähe
des Flughafens, und wir versorgen sie hauptsächlich medizinisch.
Sie sind für Veränderungen in ihrem hygienischen Alltag nicht
offen, aber die Sorge um ihre Kinder lässt sie unsere medizinische
Hilfe annehmen. Sushma und Muna kümmern sich gut um das Projekt.
Anfang März freute sich Muna sehr über den Besuch der Gynäkologin
Frau Dr. Anke Gaußmann aus dem St. Vinzenz Krankenhaus in Hanau.
Sie untersuchte die Frauen aus den Slums von Banshigat und Thapathali
und auch die Frauen aus dem Dorf Mudhku. Sie zeigte Muna, wie man eine
gynäkologische Untersuchung durchführt und stärkte auf
diese Weise ihr Selbstbewusstsein.
Wir freuen uns schon, Ihnen in unserem nächsten Infobrief Ende
August die 20 fertigen erdbebensicheren Häuser von Mudhku zeigen
zu können, die dank Ihrer Großzügigkeit gebaut werden
konnten. Vielen Dank an Sie alle für Ihre Unterstützung!
Ganz herzliche Grüße
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