Liebe Freunde,
laLaut der nepalesischen Medien verlassen über 2000 Nepalesen täglich
das Land, um in Malaysia, Israel, Afghanistan und in den Golfstaaten
zu arbeiten. Alle hoffen, nach ein paar Jahren nach Hause zurückzukehren,
um mit dem gesparten Geld in der Heimat eine neue Existenz aufzubauen.
Die Regierung konzentriert sich aber eher darauf, ihre Bürger zu
exportieren, weil sie ja Devisen ins Land bringen, als dass sie diesen
erschöpften Männern dann helfen würde, zu Hause eine
Arbeit zu finden. Anderseits erschweren die extrem hohen Preisen das
Leben in Nepal, und ihre Ersparnisse sind vergleichsweise so gering,
dass sie nicht reichen, um ihre Familien zu ernähren. Deshalb müssen
die meisten wieder ins Ausland, um in oft unwürdigen Bedingungen
als billige Arbeitskräfte zu dienen. Dabei sind sie es, die es
möglich machen, dass mindestens ihre Familien ein etwas besseres
Leben haben und ihre Kinder zur Schule gehen können.
Während es in entfernten Gegenden des Himalajas an Grundnahrungsmitteln
fehlt, entwickelt sich die Hauptstadt zu einer chaotischen, lauten und
gefährlichen Metropole, in der die Kriminalität wächst.
Die einst so freundlichen Nepalesen verhalten sich jetzt grob und brutal.
Vom Nachbarland Indien inspiriert, zögern Banden von Jugendlichen
nicht, Mädchen mehrfach zu vergewaltigen und dann ihr Gesicht mit
Säure zu entstellen. Kinder werden nach wie vor als Arbeitskraft
benutzt, und der Mädchen- und Frauenhandel in die Emirate, Indien
und Afrika blüht wie nie zuvor. Die Polizei nimmt zwar hin und
wieder Verantwortliche und Mittäter fest, aber solche Kriminellen
fürchten sich nicht, verhaftet zu werden, weil sie wohl wissen,
dass die Gefängnisse überfüllt sind, und sie nicht lange
eingesperrt bleiben werden. Die Nepalesen sind heutzutage bewusst, dass
ihre Kinder eine gute Schulausbildung genießen müssen, um
es später besser als ihre Eltern zu haben. Deshalb ist das Geschäft
mit den Schulen das blühendste Geschäft im Tal von Kathmandu
geworden: eine Unzahl von Privatschulen wächst wie Pilze aus dem
Boden.
Diese neue, gutgläubige Mittelklasse orientiert sich an den neuen
Gebäuden einer Schule und an ihren hohen Gebühren, um die
beste Institution für ihre Kinder auszuwählen. Je höher
die Gebühren, desto überzeugter sind die Eltern von der Bildungsqualität,
die ihre Kleinen in der Schule genießen werden. Dabei ist das
Niveau der nepalesischen Schulen und Universitäten im Vergleich
zum Ausland extrem niedrig. Die Unterrichtsmethoden bleiben mittelalterlich,
und die Lehrer sind nicht ausgebildet und besitzen nicht das nötige
Allgemeinwissen, das für diesen Beruf so wichtig ist. Dazu kommt,
dass Nepal mit seinen 80 offiziellen Feiertagen wahrscheinlich einen
Weltrekord aufstellt, und wenn man die normalen Schulferien dazurechnet,
kann man sich vorstellen, dass der Lehrerberuf nicht gerade viel Kreativität
hervorbringt.
Unsere Arbeit in den Slums von Kathmandu wird weitergeführt. In
Banshigat alphabetisiert SUSHMA eine neue Welle von Nomadenkindern,
deren Eltern sesshaft werden wollen, und wir haben sie für das
neue Schuljahr im Mai in der nah gelegenen Staatsschule eingeschrieben.
Die notwendigen Schulgebühren und Uniformen zahlt auch Kinderhilfe
Nepal, weil ihre Eltern ihre Familie durch Abfallrecycling oder Betteln
nur mit Mühe ernähren können.
Weil es öfter vorkommt, dass die Männer ihre Familien verlassen,
sind die Frauen aus dem Slum von Banshigat auf unseren Kindergarten
angewiesen, um arbeiten gehen zu können. Aus diesem Grund haben
wir auch in Thapathali zum größten Teil dazu beigetragen,
einen zweiten Kindergarten zu gründen. Eine private nepalesische
Sponsorin hat das Plastikzelt für die Herstellung der Krippe und
das Personal zur Verfügung gestellt, und wir haben alles für
ein gutes Funktionieren der Tagesstätte besorgt: Spielzeuge, Hefte,
Malstifte, Handtücher, Eimer etc...
Wir mussten sogar Kleider für die Kleinen kaufen. Weil sie morgens
sehr schmutzig im Kindergarten erscheinen, werden sie jetzt erst geduscht
und frisch angezogen. Abends gehen sie mit der eigenen schmutzigen Kleidung
nach Hause. Wir haben schon zu viel Geld für Kleider ausgegeben,
die innerhalb von einer Woche nicht mehr zu gebrauchen waren, und wir
hoffen, dass die Kinder und ihre Eltern auf diese Weise langsam lernen,
den Unterschied zwischen Schmutz und Sauberkeit zu erkennen. Die nepalesische
Sponsorin durften wir merkwürdigerweise nicht kennenlernen, aber
wir begrüßen es sehr, dass nicht nur WIR Hilfe leisten, weil
es inzwischen manchen Nepalesen finanziell ganz gut geht, und sie auch
ihren Beitrag leisten sollten. Hauptsache ist für uns, dass der
Kindergarten läuft, und dafür sorgen wir. Etwa 300 Kinder
aus dem Thapathali Slum und 100 aus Banshigat bekommen täglich
unseren mit Vitaminen und Mineralien angereicherten Brei, und Trinkwasser
wird mehrmals die Woche an beide Gemeinschaften per LKWs geliefert.
Jetzt wird die Straße am Ufer des Bagmati-Flusses am Rande der
Slums gebaut, und alle hinfällige Latrinen der Thapathali Siedlung
wurden zerstört. Wie mussten also mit Plastikplanen und Bambus
Toiletten bauen, die auch als Duschplatz gebraucht werden können,
damit ein Minimum an Hygiene bewahrt wird. Wir bezahlen weiterhin für
kleine und größere Operationen der Kinder. Ein Mädchen
bekam im Februar eine neue Herzklappe. Der spektakulärste Eingriff
wurde aber an einem dreizehn-jährigen Jungen durchgeführt:
er hatte sich als Kleinkind ein Bein gebrochen und wurde nicht richtig
behandelt. Daher wuchsen seine Beine mit einem Unterschied von 10 cm
weiter, und er hinkte schwer. Nach mehreren schmerzhaften Eingriffen
sind seine Beine heute gleich lang.
Auch wenn solche Behandlungen für die meisten Nepalesen unbezahlbar
sind, gibt es im Himalajastaat durchaus gute Ärzte und Chirurgen.
Vieles könnte in diesem Land zum Positiven geändert werden,
wenn sich die Politiker darauf einigen würden, ganz einfache Reformen
durchzuführen. Aber sie denken eher daran, ihre kleinen Ego Kämpfe
auszutragen, um an die Macht zu kommen, und kümmern sich überhaupt
nicht um ein besseres Leben ihrer Mitbürger. Die Korruption zerfrisst
alle Institutionen des Landes und scheint sogar in die Gene des Volkes
eingedrungen zu sein, sodass sie den Nepalesen leider völlig natürlich
vorkommt.
Wir setzen unsere Arbeit bei den Ärmsten unbeirrt fort und halten
uns fern von solchen Kreisen, die sowieso ihr Bestes tun, um uns zu
ignorieren. Demut, Diskretion und unermüdliches Durchsetzungs-
vermögen bleiben die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg
einer Organisation wie unsere in Nepal, und so ist unser Einsatz am
Wirksamsten. Vielen Dank an Sie alle, die uns dabei so treu unterstützen!
Herzliche Grüße,
Elisabeth Montet
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