Liebe Freunde,,
Nichts bewegt sich in der verzwickten politischen Lage Nepals. Die Gesandten
des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Ban Ki-Moon arbeiten
jetzt seit vier Jahren erfolglos an dem Friedensprozess zwischen den
Maoisten und den anderen Parteien. Die maoistische Rebellenarmee, die
der UN ihre Waffen schon längst übergeben hat. möchte
in die Nationalarmee integriert werden, was von den übrigen Parteien
strikt abgelehnt wird. Die UN weigert sich fairer Weise, die Zahl der
im Dschungel lagernden Befreiungskämpfer zu veröffentlichen,
weil die traditionellen Parteien den Maoisten keinen Schritt entgegen
gehen wollen, obwohl die Ex-Rebellen bei den letzten Wahlen die absolute
Mehrheit nur knapp verfehlt haben. Am liebsten würde die Regierung
die Kommission der UN nach Hause schicken, weil sie im Verdacht steht,
die Maoisten bevorzugt zu behandeln. Die Situation ist blockiert; es
wird nicht regiert, sondern nur endlos debattiert. Der Wassermangel
und die 16 Stunden am Tag ohne Strom lähmen weiterhin das Leben
des Landes. Jeder überlebt, wie er kann, ohne Rücksicht auf
den Anderen. Die Kriminalität wächst:. Im Moment ist es geradezu
modisch, Busse zu überfallen, zu verbrennen und dabei Menschen
zu töten. Wer zufällig ver- haftet wird, wird bald wieder
entlassen, weil die Gefängnisse überfüllt sind. Die meisten
Nepalesen können sich die Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten,
die jetzt fast so teuer sind wie in Europa. Sie leben von Reis und Wasser
und, wenn sie zu etwas Geld kommen, kochen sie eine Linsensauce und
ein paar Gemüse dazu. Unsere 20 jährige Erfahrung mit unserem
Projekt in Nepal hat uns gelehrt, dass Kinder, die als Babys schlecht
ernährt wurden, nicht mehr in der Lage sind, später gute Schüler
zu werden. Auch wenn sie im Alter von 5 Jahren eine ausgewogene Kost
bekommen, sind die Schäden, die ihnen der Mangel an Vitaminen und
Mineralien in ihren ersten Lebensjahren verursacht hat, irreversibel.
Da die Mütter auch unterernährt sind, enthält ihre Milch
auch nicht die gesunden Komponenten, die die Kleinen bräuchten,
um ein normales Wachstum zu erleben.
Deshalb packen wir jetzt das Problem bei der Wurzel und beschäftigen
uns damit, so viele Kleinkinder wie möglich täglich mit unserem
Milchbrei zu füttern. Das Pulver, das wir mit der Milch vermischen,
enthält alle notwendigen Vitamine und Mineralien, die ein gesundes
Wachstum fördern. Leider ist dieses in Indien produzierte Pulver
aber für die meisten Nepalesen völlig unbezahlbar. Es ist
erstaunlich und erfreulich zu beobachten, wie die Kinder dadurch innerhalb
von 3 Monaten stark werden und wie schnell sie wachsen. Aus diesem Grund
haben wir unser Ernährungsprogramm und unsere medizinische Versorgung
auf zwei andere kleinere Slumgebiete ausgeweitet. Djayanti aus Banshighat
und Sija fiel es leicht, die neuen verantwortlichen Frauen Sri Kumari
und Maya in den Slums von Palpakot und Smakhusi in die Aufgaben einzuführen,
das Essen zu kochen und für eine effektive Hygiene zu sorgen. Sija
fährt mit ihrem Skooter von Slum zu Slum, bringt deren Einwohnern
die Medikamente, die sie brauchen, und versorgt die vielen schlecht
heilenden Wunden und Geschwüre. Dieses Mal organisierten die Frauen
von Banshigat, die sich am Anfang uns gegenüber etwas misstrauisch
verhielten, ein kleines Fest, bei dem sie sich für die Unterstützung
der Kinderhilfe Nepal in ihrem Slum herzlich bedankten. Es war rührend,
die Hoffnung in den Augen dieser Frauen zu sehen, die, weil ihre Babys
jetzt gut in unserem Kindergarten aufgehoben sind, auf Baustellen arbeiten
gehen können, um ihrer Familie jeden Abend ein Minimum an Essen
zu bieten. Wir haben gemeinsam über wichtige Pläne für
die Zukunft gesprochen und beschlossen, bis zum nächsten Besuch
aus Deutschland im Juni eine neue und sichere elektrische Verkabelung
der ganzen Slumsiedlung von Bangshighat zu installieren: In ganz Nepal
hängen die elektrischen Kabel chaotisch herum, jeder kann sie anfassen,
und in den Slums gibt es wegen der Blechdächer, die sich immer
wieder plötzlich aufladen, zu oft schlimme Unfälle durch Stromschläge.
Diese Sicherheit kostet uns zwar 1000 Euro, die aber gut angelegt sind.
Wir haben auch in Banshigat ein Klassenzimmer eingerichtet, in dem die
Kinder der ethnischen Gruppe der Maute tagsüber Rechnen, Lesen
und Schreiben lernen. Die Maute-Menschen gehören zu einer Nomadenkaste,
die traditionell unter Zelten lebt und sich Essen verschafft, indem
sie ihre Kinder zum Betteln schickt. Viele von ihnen verbringen inzwischen
den kalten Winter in Slums, bevor sie im Frühjahr weiterziehen.
Im letzten November hatten wir mit den Eltern dieser Kinder einen Vertrag
ausgehandelt: Wir alphabetisieren und unterrichten ihre Kinder, wenn
sie dafür die Kleinen nicht mehr zum Betteln schicken. Wir warm
sehr erstaunt festzustellen, dass die Kinder seit drei Monaten regelmäßig
in unsere "Schule" kommen und nicht mehr betteln gehen! Es
sind schwierige, sehr lebhafte und ungezogene Kinder, die Sija jeden
Morgen daran erinnern muss, dass sie sauber sein müssen. Immer
seltener müssen sie vor Beginn des Unterrichts nach Hause geschickt
werden, um sich zu waschen, und sie zeigen viel Freude am Lernen und
am Leben überhaupt! Abends steht das Klassenzimmer nicht leer,
denn 70 der eingeschulten Mädchen und Jungen des Slums bekommen
vom Lehrer Ramesh in drei Schichten Hilfe bei ihren Hausaufgaben.
Ein Dutzend Jugendliche aus unserem ehemaligen "Children's World"
unterstützen wir noch für 2 Jahre bei ihren Studien als Gesundheitsassistenten.
Deepak beendet seinen Bachelor in Psychologie in Thai- land, die blinde
Goma ihren BA in Englisch in Dehli, und Tenzing, Smita und Rita kommen
mit ihrem Studium als Physiotherapeuten und Krankenschwester in Bangalore
gut voran. Auch die 45 Kinder des Pathivaraslums, in dem wir 5 Jahre
lang gearbeitet haben, schwänzen die Schule nicht, für die
wir die Gebühren bezahlen, weil sie wissen, dass wir sonst mit
unserer Unterstützung aufhören würden. Sija belegt im
Moment einen Kurs über die Psychologie von Kleinkindern, der den
Mitarbeitern von neuen äußerst luxuriösen Kindergärten
für Ministerkinder und Reiche angeboten wird. Sie verwendet aber
ihre neuen Kenntnisse in den Slums, wo sie ihre Mitarbeiter weiter fortbildet.
Wir können mit Freude sagen, dass wir dank Ihrer Hilfe zur Zeit
eine besonders effiziente Arbeit leisten, die den Ärmsten in den
Slums von Kathmandu zu Gute kommt und deren Kindern für die Zukunft
eine echte Chance gibt. Ihnen allen vielen Dank für Ihre Unterstützung
und bis zum nächsten Brief alles Gute und Liebe!
Elisabeth Montet
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