Liebe Freunde,,
auch wenn die Sonne es im winterlichen Nepal tagsüber auf 20 Grad
bringen kann, sinken die Temperaturen gegen 17 Uhr auf null Grad. Häuser
und Hütten haben aber keine Heizung, und die Menschen verbringen
die Nächte aneinander geschmiegt, um sich zu wärmen. Politisch
gesehen, geschieht nichts. Die Wahlen, die im November stattfinden sollten,
sind auf April 2008 verschoben worden. Kommunisten und Maoisten wollen
Nepal vor den Wahlen zur Republik erklären. Die anderen Parteien
weigern sich. Also wird seit Monaten nur diskutiert und auf der Stelle
getreten. Währenddessen häufen sich wieder Tonnen von Abfällen
in den Straßen der Hauptstadt. Benzin und Diesel werden rationiert,
so dass sich kilometerlange Schlangen von Taxis und anderen Autos bilden,
deren Fahrer oft die Nerven verlieren, und es kommt zu heftigen Schlägereien.
Die vielen Armen werden immer ärmer, die wenigen Reichen noch reicher,
und man fragt sich, wo die Hunderte von Millionen Dollar verschwinden,
die die internationale Gemeinschaft Nepal zur Verfügung stellt.
Eine neue Mode von Entführungen ist aufgekommen: Kinder werden
von unbekannten Gruppen wahllos entführt, und es wird Lösegeld
von Familien verlangt, die gar nichts besitzen. Dann werden die Kinder
kaltblütig getötet. In Nepal leben 100 verschiedene ethnische
Gruppen und Kasten, die 70 unterschiedliche Sprachen sprechen und bis
vor kurzem in Frieden zusammengelebt haben. Die ethnischen Unruhen der
im Süden Nepals schon lange ansässigen Madhesis verschlimmern
sich jetzt, weil ihre Forderungen von der Regierung kaum registriert
werden.
Da 17 der 29 Millionen Einwohner des Landes im Freien ihre Notdurft
verrichten, ist das Grundwasser verseucht und die Flüsse des Kathmandutales
dienen als Müllhalde: 82% aller Erkrankungen sind auf diese unhygienischen
Umstände zurückzuführen. Krankenversicherung ist in Nepal
ein Fremdwort: Wer ernsthaft krank wird, stirbt, weil er/sie kein Geld
hat, um ärztliche Behandlungen zu bezahlen. Die Menschen unseres
"Slums" haben ja die Kinderhilfe Nepal, die die medizinischen
Kosten für mehr als 200 Kinder aufbringt. Dank der vitamin- und
mineralreichen Nahrung, die ihnen täglich gegeben wird, und dank
der vierjährigen Arbeit, die dort von Sija und ihren Helfern geleistet
wurde, werden nur wenige Kinder krank.
In diesem November haben wir für 400 Euro 200 Anoraks gekauft,
um die Kinder vor der Winterkälte zu schützen. Auch die Mütter
helfen jetzt und passen auf, dass niemand verseuchtes Wasser trinkt.
Schon vor fast einem Jahr ist die Leitung für sauberes Wasser von
uns an die Stadtleitung angeschlossen worden. Aber noch immer weigern
sich die Behörden - selbst gegen Bezahlung -, das saubere Wasser
in die Slums fließen zu lassen. Für Sija, ein täglicher
Kampf, den sie noch lange nicht gewonnen hat. Internationale Hilfsorganisationen
werden im Moment von der Regierung kritisiert und denunziert. Theoretisch
sollten wir seit einem Jahr genauso wie die großen Organisationen
wie Plan International oder UNICEF, das Ministerium für soziale
Angelegenheiten bei jedem kleinen oder großen Vorhaben um Genehmigung
bitten. Kleine Organisationen können ziemlich leicht ihren eigenen
Weg gehen, aber große Organisationen, die Schulen, Gesundheitszentren
und andere sichtbare Projekte bauen, bekommen Ärger von Seiten
einer unverschämten Regierung, die diese lebenswichtigen Arbeiten
für das Wohl ihres Landes eigentlich selbst durchführen müsste!
Es macht uns Freude festzustellen, dass in "unserem" Slum
das Leben der Menschen durch unseren Einsatz leichter und besser geworden
ist. Die Gemeinschaftsgassen sind sauber, der Waschplatz, die Toiletten
und Duschen werden benutzt, und die Solidarität unter den Frauen
bleibt. Das Frauenverteidigunskomitee ist jede Nacht unterwegs, und
verprügelte Frauen sind eine Seltenheit geworden. Es stellte sich
heraus, dass die herzkranke Juma durch eine Herzklappen Operation doch
95%Chancen hätte zu überleben und nicht umgekehrt. Ein Spender
aus Nürnberg war bereit, die Kosten zu tragen, aber am Vortag des
Eingriffes weigerte sich Juma, die Operation durchführen zu lassen.
Sie sieht jeden Tag schlechter aus und hat ein kleines Kind. Wir üben
keinen Druck auf sie aus, denn sollte bei dem Eingriff doch etwas passieren,
wären wir in den Augen der Slumbewohner die Schuldigen. Da die
Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft wirklich gut läuft, wollen
wir auf keinen Fall dieses Risiko eingehen.
In Children's World gibt es die gute Nachricht, dass die Schwellung
von Nelsons Lymphknoten verschwunden ist und der Krebsalarm völlig
unbegründet war. Dafür kam Kusums Mutter aus ihrem fernen
Dorf an der tibetischen Grenze, in ihr einziges Kleid gekleidet und
in Plastiksandalen zu uns. Die 42-jährige Frau lebt allein mit
ihrer geliebten 14 Jahre alten Kuh und einigen anderen Tieren, um die
sie sich große Sorgen macht. Ein großer Knoten in der linken
Brust und Schmerzen im Arm brachten sie nach Kathmandu. Die Untersuchungen
ließen Krebs erkennen, und es folgte eine Amputation der Brust.
Finanziell gesehen ist die Operation (120 Euro) eine Kleinigkeit.
Für die kommende achtmonatige Chemo- und Radiotherapie müssen
wir ca. 5000 Euro aufbringen. Eigentlich sind wir eine reine Kinderhilfsorganisation,
aber sollen wir deshalb diese Frau sterben lassen? Kusum wird seit 19
Jahren von Kinderhilfe Nepal erzogen. Sie ist mit Deepak die einzige
brillante Studentin und wird im Januar ihr Magisterstudium in Business
und Finanzen in der amerikanischen Webster Universität von Thailand
anfangen. Aufgrund ihres tüchtigen Charakters wird sie es bestimmt
zum Doktor bringen. Sie will jetzt in ihr Dorf gehen, um die Frauen
aufzuklären, und ihnen die Vorsorge-Selbstuntersuchungsmethode
beibringen, damit sie nicht wie ihre Mutter sechs Monate warten, bis
sie einen Arzt aufsuchen. Wer die kostspieligen Therapien bezahlen wird,
ist eine andere Frage, aber vielleicht kann ihnen durch Früherkennung
die teure Chemotherapie erspart werden.
In Children's World, in dem es inzwischen fast nur Jugendliche gibt,
geht es allen bestens. Wir haben überraschender Weise und mit Freude
Hochzeit gefeiert. Smita, 19, wurde als Waisenkind vom SOS-Kinderdorf
bei Kathmandu 12 Jahre lang betreut. Nach ihrem Schulabschluß
stand sie auf der Straße ohne jede Identität. Sie ist ein
äußerst nettes und intelligentes Mädchen, die Glück
hatte, uns auf ihrem Weg zu treffen. Mit allen Mitteln haben wir versucht,
ihr einen Personalausweis zu verschaffen. Vergeblich, denn der nepalesische
Staat weigert sich, seinen eigenen Kindern, die elternlos sind, die
Staatsangehörigkeit zu genehmigen. Es blieb nur EINE Möglichkeit:
sie mit einem Mann zu verheiraten. Nur dann würde sie als nepalesische
Frau anerkannt werden! Unser voll paralysierter "Prinz", Raj
Kumar, war selig, einmal selbst jemandem helfen zu können. Jetzt
studiert Sija Physiotherapie in Bangalore, Indien, und sendet ihm regelmäßig
SMS. Wir müssen Ihnen aber auch verraten, daß unser Prinz
selbst die Staatsangehörigkeit vor einem Jahr nur bekommen konnte,
weil Deepaks Mutter ihn adoptierte, obwohl er gar nicht mit ihr verwandt
ist und sogar einer ganz anderen Kaste angehört. (Deepak studiert
jetzt Psychologie in Thailand). Wir sind also eine etwas "kuddelmuddelige"
Familie, aber eines ist sicher: Wir halten fest zueinander!!!
All diese positiven Geschichten können nur durch Ihre Unterstützung
entstehen. Ein Tropfen im Ozean, sagen viele. Sicherlich. Aber die vielen
Menschen im Slum und in Children's World erleben diese Wohltat jeden
Tag und wissen sie zu schätzen. Herzlichen Dank in ihrem Namen
für Ihre Hilfe.
Ihnen allen wünschen wir von ganzem Herzen frohe Weihnachten und
ein gutes, gesunde neues Jahr 2008!
Elisabeth Montet
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