Vorbemerkungen Die Schreibweise
diese sehr speziellen tibetischen Objekte variiert stark. Neben der am
häufigsten anzutreffenden Form 'Zanpar' finden sich weitere wie 'Zangpar',
'Zenpar' oder auch 'zan-spar' und weitere.
Diese Objekte sind bisher in der Tibet Forschung sehr vernachlässigt
worden. Es finden sich nur wenige Publikationen, die teilweise diese Formen
nur am Rande erwähnen. Häufig
wird der Ursprung der Tsampas der vorbuddhistischen Bon-Religion zugeschrieben.
Es gibt aber auch andere Interpretationen bei denen eine Herkunft im Iran
oder in Indien vermutet wird. Sogar griechische, jüdische, christliche
und phönizische Quellen werden angeführt. Es ist deshalb unmöglich,
diese Frage abschließend zu klären.
Diese drei
tibetischen Begriffe stehen in einem Zusammenhang. Die Zanpars sind Holzmodel
mit denen aus Tsampar Teig Abdrücke gewonnen werden. Tormas sind
Opfergaben auf tibetisch buddhistischen Altären, die zumeist aus
Butter, bisweilen aber auch aus Tsampa geformt und mit Zanpar Abdrücken
verziert werden.
Die Tsampa-Mischung, mit welcher die Abdrücke von Zanpars hergestellt
werden, besteht hauptsächlich aus geröstetem Gerstenmehl,
Wasser, Butter und Milch. Auch Weizenmehl kann verwendet werden. In
manchen Texten wird auf eine Mischung aus 4 Getreidesorten hingewiesen.
Es scheint, als ob der Getreidesorte keine besondere Wichtigkeit beigemessen
würde, sie ändert sich je nach lokalem landwirtschaftlichem
Kontext. Alle zusätzlichen Beigaben wie Nägel, Haare, Teile
von Kleidungsstücken usw. verstärken den positiven Effekt
der Zanpar Rituale. Spuren von Mehrfarbigkeit bei einigen Motiven deuten
darauf hin, dass in manchen Fällen Farbpulver verwendet worden
sein könnten. Funktionen der Zanpars Wenig
bekannt ist die Tatsache, dass Zanpars eine dreifache Funktion im alten
Tibet besaßen. Im Allgemeinen werden stets die medizinischen Aspekte
des Gebrauchs genannt. Darüber hinaus gab es aber auch eine nicht
weniger wichtige Aufgabe, die man als eine Art Sündenbock- oder
Stellvertreterfunktion bezeichnen kann. Schließlich werden auch
mit Hilfe von Zanpars Opferkuchen aus Tsampa Brei hergestellt. Krankheiten sind in der tibetischen Medizin auf ein Ungleichgewicht der drei Körpersäfte Wind, Galle und Schleim zurückzuführen. Ursachen für diese Störungen sind in dieser Medizinlehre häufig auf negative Einflüsse von Geistern und Dämonen zurückzuführen. In der
traditionellen tibetischen Medizin spielen Zanpar Rituale eine eher
untergeordnete Rolle. Der Schwerpunkt dieser im 8. Jahrhundert auf Basis
indischer und chinesischer Grundlagen entstandenen Medizinlehre lag
auf den verschiedenen Diagnoseformen in Verbindung mit einer sehr umfangreichen
Kräutermedizin. Im Standardwerk der tibetischen Medizin dem "Blue
Beryll" sucht man demzufolge auch vergebens nach einer Erwähnung
der Zanpar Rituale.
Dennoch verfügten im alten Tibet die Klöster über zahlreiche
dieser hölzernen Formen. Sie wurden im medizinischen Bereich verwendet,
um Menschen zu helfen, die krank oder in besonderen Notlagen waren.
Die magische Beeinflussung von Gesundheit, Problemzuständen u.ä.
haben wenig mit dem tibetischen Buddhismus, sondern eher mit in der
Volksreligion verbreiteten ungeordneten Kräften wie Dämonen
und Geistern zu tun.
Wurde das Kloster gebeten zu helfen, suchten dafür ausgebildete
Mönche dazu aus ihrem Bestand an Zanpar-Formen die jeweils geeigneten
aus und gingen in die Häuser der Gläubigen. Sie wählten
die zur Beseitigung der Krankheit oder Notlage passenden Symbole der
Holzform aus und pressten sie in eine Kugel Tsampa [Teig aus Butter,
Salz und Gerstenmehl und Wasser].
Das Tsampa-Stück mit Abdrücken von geschnitzten Motiven wurde
dann als Medizin verabreicht oder auch bisweilen auf dem Hausaltar der
Familie deponiert, um die aufgetretenen Beschwerden zu heilen oder zumindest
zu lindern. Es handelte sich dabei nicht nur um physische Beschwerden,
auch bei psychischen Problemen wurden Zanpars eingesetzt.
Die Stellvertreterfunktion steht in einem engen Zusammenhang mit dem
o.g. Einsatz von Zanpars als Medizin. Kleine Teigstücke aus Tsampa
in denen die Muster der Zanpar-Hölzer gepresst wurden hatten als
zweite Verwendung auch eine Art Sündenbock- oder Stellvertreterfunktion.
Dabei kommt ein charakteristisches Merkmal des Volksglaubens zum Tragen:
Die Übertragbarkeit von Eigenschaften eines Menschen auf Abbilder,
die dann dieselben Eigenschaften wie der abgebildete Mensch auf. Sie
übernahmen die Schuld der Tibeter, um die bösen Geister zu
besänftigen oder ganz davon abzuhalten, in die Häuser einzudringen
und Unheil anzurichten.
Nach tibetisch-buddhistischer Auffassung gibt es noch 360 Katastrophen,
wie zum Beispiel der Sturz von einer Leiter, einem Pferd, einem Felsen,
Verbrennungen, Todesfälle durch Ertrinken usw., für die nicht
Dämonen, sondern das Karma aus vorausgegangenen Existenzen des
Betroffenen verantwortlich gemacht werden.
Im Falle einer Krankheit erstellte ein Mönch mit Hilfe einer ausgewählten
Holzform, aus Lehm oder einem Brotteig ein menschliches oder auch tierisches
Abbild. Dann zwingt der Lama den Dämon, den erkrankten Menschen,
zu verlassen und stattdessen von der Figur Besitz zu ergreifen, die
er gerade geschaffen hat. Zu diesem Zweck zeichnet er magische Kreise
und spricht eine Zeit lang Beschwörungsformeln. Nachdem der Geist
mit diesen Mitteln eingefangen wurde, verliest der Lama Passagen aus
bestimmten Büchern und übergibt dem Patienten das geformte
Abbild, um es zu verbrennen oder zu vergraben. Es werden auch Abdrücke davon an verschiedenen Stellen des Hauses angebracht, welche erst nach der Gesundung wieder entfernt werden dürfen. Wenn diese Methoden nicht helfen und der Patient stirbt, wird angenommen, dass die Krankheit eine Strafe für das unmoralische Handeln des Patienten in einem früheren Leben ist.
Die Frage, ob Zanpars als Werkzeuge in Opferritualen verwendet wurden,
ist nicht eindeutig geklärt. In der Mehrzahl der [wenigen] Veröffentlichungen
wird davon ausgegangen. Es gibt aber auch Abhandlungen, in denen diese
Frage eindeutig verneint wird.
Auf den Formen sind häufig Lha- [Dämonen] und Tsan-Figuren
[Könige] sowie Tiere und buddhistische Symbole zu sehen. Die Abdrücke
von dieser Formen sollen beim LhaBsans-Ritual benutzt worden sein, bei
dem auf den Bergen Opfergaben zu Ehren der Gottheiten verbrannt wurden.
Solche Opfer werden dargebracht, um die Probleme einzelner Personen
bzw. ganzer Gemeinschaften zu lösen oder auch nur, um die Götter
und Dämonen zu besänftigen. Formen Holz war in Zentral Tibet früher ein kostbares Material, das aus holzreicheren
Gebieten wie Ost-Tibet, Nepal oder Bhutan importiert werden musste. Es
wurde im Kloster- und Häuserbau verwendet. Seltener für buddhistische
Kultfiguren. Kleinere Äste waren für diese Baumaßnahmen
ungeeignet. Für die Herstellung der Zanpar Formen waren diese anderweitig
sonst nicht verwertbaren Reste jedoch ideal. Abbildung 6: Zweiseitiges Zanpar Abbildung 7: Vierseitiges Zanpar Abbildung 8: Fünfseitiges Zanpar Die nächste Abbildung zeigt ein außergewöhnliches Zanpar mit einer im Holz
abgesenkten Art Stufe. Der tiefer gelegene Teil diente dazu, eine größere
Menge Tsampa Teig abzulegen, von dem dann ein Teil für die Tsampa Kugel
genommen wurde, in dem das passende Motiv des Zanpars abgedruckt wurde. Abbildung 9: Stufiger Zanpar mit Ablagefläche für den Tsampa Teig Abbildungen Zanpar
Formen zeigen eine große Vielfalt von Abbildungen: *]
Die Trigramme findet man u.a. in der Astronomie, in der in der Geographie
und Astrologie. Sie sind als universales Orientierungsmodell zu verstehen,
das auch Elemente enthält, die auf die Lebensgestaltung des Menschen
Einfluss nehmen. Aufgrund von Orientierungsprinzipien und der für
die Lebensgestaltung bestimmenden Elemente ist jedem Menschen eine bewusstere
Selbstbestimmung möglich. Die Himmelsrichtungen stehen z. B. auch
für innere Orientierung, die Organe für bestimmte psychische
Verfassungen [Stimmungen, Persönlichkeitsstrukturen]. So entspricht
den physischen Qualitäten immer auch eine innere [psychische] Qualität. Zu den kosmologischen Symbolen auf Zanpars gehören: Es wird
angenommen, dass die Darstellung von Lamas gemeinsam mit der Abbildung von heiligen Stätten dazu diente,
diese religiösen Orte zu schützen. In manchen
Fällen werden bis zu neun Planeten abgebildet. Abbildung 10: Stupas / Tchörten Abbildung 11: Glückssymbole [Rad der Lehre, Muschel,
Rundbanner, unendlicher Knoten] Abbildung 12: Fische, Amphibien Abbildung 13: Krieger Abbildung 14:
Trigramme und tierköpfige menschliche Gestalten Abbildung 15: Ohrringe der Königin [eckig], die
Ohrringe des Königs [rund] Abbildung16:
Dämonen und Geister des Bardo An beiden Enden findet man häufig
geschnitzte Darstellungen von Stupas / Tchörten. Abbildung 17: Tchörten / Stupa Darstellung Abbildung
18: Tibetische Inschrift 'sde brgyad' [= acht Klassen zornvoller
Gttheiten] auf einem Zanpar
Die Formen aus Tsampa-Brei und Wasser werden Torma genannt. Neben den Tsampa-Torma
gibt es auch Butter-Torma, die als Opfergaben auf den buddhistischen Altären
zu finden sind. Bisweilen werden sie zusätzlich durch Abdrücke
aus Zanpar-Formen verziert. Sie dienen als Opfergaben oder repräsentieren
Schutzgottheiten.
Die Torma wurde nicht immer von einem Lama hergestellt, sondern vom Kranken
oder einem Familienmitglied des Kranken. Danach wurde die Torma gemeinsam
mit Speisopfern, Resten von Fingernägeln, ein paar Haaren und einigen
Teilen von Kleidungsstücken des Betroffenen auf einen Teller gelegt.
Eine Zeremonie dauerte zwischen einer und zwei Stunden und fand meistens
am Abend statt, da es nach Sonnenuntergang wahrscheinlicher war, dass
die Dämonen erschienen. Die dabei gesungenen Mantras stammten auch
aus einem Buch der Astrologie. Verwendet wurden in dem Ritual ein Phurba,
ein Vajra / Dorje und eine Damaru [Doppeltrommel]. Phurbas [Dämonennagel]
und Vajras [Diamantzepter] wurden benutzt, um die Dämonen zu töten,
welche auf der Torma abgebildet sind. Die unterschiedlichen Figuren auf
den Zanpars entsprachen den visuellen Formen, welche die Dämonen
oder Gespenster in den Träumen oder in der Realität, wenn sie
sich den Menschen zeigten, annahmen. Am Ende des Rituals wurde die Torma
in die Mitte einer Wegkreuzung geworfen. Die Dämonen kamen aus allen
Richtungen. Wurde die Torma an einer Kreuzung fallengelassen, war sichergestellt,
dass die Dämonen nach allen Seiten ausgetrieben wurden.
Diese wenigen Hinweise geben einen Überblick von der Komplexität der Rituale
welche nötig waren, um die verschiedenen Probleme der Menschen zu
lösen: Krankheiten, Schicksale, Flüche. Während eines Tages
gab es zahlreiche Situationen in denen eine genaue Beachtung der Regeln
und Erfüllung der Pflichten nicht möglich war und die Huldigung
bzw. Verehrung der Dämonen, die ihnen zusteht, nicht ordnungsgemäß
ausgeführt wurden konnte. Diese verlangten dann eine Wiedergutmachung
für die begangenen Fehler. Deshalb war es nötig, über ein
großes Sortiment an Zanpars zu verfügen. Denn man durfte auch
nicht vergessen, dass sich neben den Dämonen auch noch Götter
und andere Wesen bemerkbar machen konnten, wenn die Menschen ihnen nicht
den gebührenden Respekt zollten, auf welchen sie Anspruch hatten. In Fällen von schwerer Krankheit, rief man den Medizin-Lama. Er
versuchte durch Wahrsagen herauszufinden, welcher Dämon für
die Krankheit verantwortlich war und in welcher Form - in Form eines Tieres
oder sonstigen Objekts - der Dämon ins Haus gelangte und dort verbleiben
konnte. Nachdem der Dämon identifiziert wurde, machte der Lama einen
Abdruck dieses Dämons mit seinem Zanpar und zwang ihn dann, mit Hilfe
von magischen Ritualen, Beschwörungsformeln, Kreisen usw. von seiner
Figur Besitz zu ergreifen. Infolgedessen wurde der Dämon durch Beschwörungsformeln,
Gebete oder Zaubersprüche ausgetrieben und die Figur wurde zerschlagen
oder verbrannt. Solange die Krankheit andauerte, wurden im gesamten Haus vergleichbare
Darstellungen angebracht, die nach der Gesundung des Patienten zerstört
wurden. Glücklicherweise existierten auch Gottheiten, die den Menschen Gutes
wollen [Gottheiten, die vor den Feinden schützen]. Sie zeichneten sich durch ihre Schönheit und würdevolle Art
aus, ritten weiße Pferde in goldener Rüstung, trugen Köcher
aus Tigerfell, Bogentaschen aus Leopardenfell oder eine Peitsche. Über
ihren Köpfen kreiste ein metallener Falke und ein Schneelöwe,
ein Tiger, ein Hund sowie ein Yeti waren Teil ihres Gefolges.
Verwendung fanden unter anderem Wildkirsch-, Hasel- und Walnussholz. Da
diese Praktiken allerdings sehr weit verbreitet waren, konnten auch andere
Hölzer zum Einsatz kommen. Das Holz einiger Zanpars hat eine ziemlich
rote Farbe, wodurch man sofort an das Holz des Shorea robusta denkt, welches
in Nepal häufig für sehr feine Schnitzereien verwendet wird.
Außerdem wird in Bezug auf die Herstellung von Zanpars von Birkenholz
gesprochen.
Die Textur des Holzes der westlichen Birke scheint sich geringfügig
von den Birken zu unterscheiden, welche in größerer Höhe
und in einem raueren Klima wachsen. Da letztere sich langsamer entwickeln,
entsteht eine feinere Maserung und das Holz eignet sich somit besser für
Schnitzereien.
Durch die Gebrauchsspuren sowie die Patina ist die Oberfläche oft
auch in sehr schlechtem Zustand, wodurch eine ernsthafte Bestimmung der
Holzart unmöglich wird. Um eine glaubwürdige Untersuchung durchzuführen,
müsste ein Querschnitt des Holzes untersucht werden, was aber einer
Zerstörung der Objekte gleichkäme.
Das Holz wird nicht geweiht, weder vor noch nach dem Schnitzen. In vielen Fällen waren es die Mönche selbst, welche die Tafeln für
den Druck der heiligen Schriften schnitzten und mit Hilfe der Holzschnitttechnik
die Zanpars fertigten. Für die Vervielfältigung war seine sehr
genaue Arbeit nötig, welche sich in der Feinheit der dargestellten
Motive widerspiegelt. Neben Bildern wurden auch regelmäßig
Buchstaben eingraviert. Nur die Lamas besaßen das Wissen, welches
zur Herstellung dieser Objekte nötig war.
Die Darstellungen auf den Zanpars wurden aber auch von Tischlern mit Laienstatus
geschnitzt. Die Verteilung der Aufgaben ist nicht ganz klar. Es ist zu
bezweifeln, dass Laien die oft sehr detailreichen Darstellungen alleine
schnitzen konnten. Häufig waren sie Analphabeten und deshalb nicht
in der Lage, die komplizierten tibetischen Buchstaben selbständig
zu schnitzen. Vermutlich haben die Tischler unter Aufsicht der Lamas gearbeitet.
Dennoch lassen sich heute manche Tsampar-Inschriften nicht entziffern
und übersetzen. Die Tatsache der fehlenden Schriftkenntnisse der Laien
könnte erklären warum. Eine andere Möglichkeit ist, dass
diese Texte in einem Dialekt oder einer lokalen tibetischen Sprachvariante
verfasst wurden welcher bzw. welche für westliche Experten heute
nicht mehr zu übersetzen sind.
In einigen Fällen sind Unterschiede in der Ausführung zu erkennen,
dennoch bleibt häufig offen, ob die Buchstaben Laien oder von Lamas
geschnitzt wurden. |