„.....Wer von Srinagar herauffährt und bei Khalatse nach Südosten ins Industal abbiegt, um die letzten 97 Kilometer nach Leh zu bewältigen, wird immer häufiger die wohl eigenartigste Kopfbedeckung sehen, die eine Frau tragen kann - den »Perak«.
Die Geschichte könnte mit »Es war einmal« beginnen. Denn ein König von Ladakh heiratete einst die Tochter eines in einem fernen Land regierenden Fürsten, und diese brachte einen Perak mit, den die Frauen von Ladakh sogleich zu kopieren begannen. Seitdem ist dieser Hut nicht nur hübsch, er drückt auch gute Herkunft und Wohlstand aus. Wer heute in Leh einen kaufen möchte, muß bis zu 20 000 Mark anlegen.
Ein Perak besteht aus einem langen Stück Leder, das hinten bis über die Hüften reichen kann und spitz zuläuft. Es endet vor der Stirn ebenfalls in einer Spitze und soll, so heißt es, eine Schlange darstellen. Zu dieser Behauptung passen die beiden »Ohren« aus Lammfell ganz gut, denn von vorne sieht der Perak wirklich ein bißchen wie der Kopf einer gereizten Kobra aus.
Das Leder ist mit rotem Tuch überzogen, auf dem Generationen von Frauen Rohtürkise gesammelt haben (per ist das alte Wort für Türkis). Vorne endet der Perak meist in einem besonders stattlichen Stein oder einem Goldornament. Auf dem Scheitel wertvoller Stücke ist ein Karneol angebracht, silberne und goldene Amulettkästchen können auf den Rückenteil genäht werden.
Ursprünglich waren die Fellohren nicht vorgesehen, aber - so geht die Sage - eine Königin von Ladakh bekam Ohrenschmerzen und nähte sie an. Natürlich mußten die Hofdamen die neue Mode mitmachen, und schließlich blieben sie dran. Das eröffnete eine neue Möglichkeit, die Haare zu tragen: sie werden in kleinen Zöpfen zusammengefaßt, die die Frauen sich gegenseitig auf die Fellohren nähen.
Auf der linken Seite des Perak, knapp über der Schulter beginnend, steht ein silbernes Ornament quer ab, an dem mehrere Reihen roter Korallen beginnen. Auf der rechten Seite baumeln weitere Silberkäst¬chen, -münzen und -Schmuckstücke im Haar, die sich bei einigen Frauen auf beiden Seiten finden.
Auf dem Lande werden meist nur ein oder zwei Reihen Türkise getragen,während die Peraks der Frauen in Leh zum Teil so schwer geworden sind, daß manchmal ein breites schwarzes Band unter den Achseln hindurchführt und den Kopfschmuck trägt. Die Witwe des letzten Königs besitzt ein Prachtexemplar von fast einem halben Meter Breite, das mit 450 Türkisen besetzt ist.
Der Mittelteil wird zum Schlafen abgenommen, die beiden »Ohren« bleiben dran, da das Haar an ihnen festgenäht ist. Sie werden nur zum Waschen des Kopfes entfernt.
Die Mädchen begannen früher im Alter von fünf oder sechs Jahren, Türkise zu sammeln, und füllten die noch leeren Stellen mit Kaurischnecken, die verheiratete Frauen nicht tragen durften. Ein Perak galt damals als Aussteuer, das Ersparte wurde in ihn investiert, und die Steine konnten von einer Witwe zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes verkauft werden.
Die Peraks, die man heute in Ladakh sieht, sind fast alle Erbstücke. Die Mütter müssen sie der ältesten Tochter bei deren Hochzeit überge¬ben und sich mit einem kleineren Exemplar, das sie sich nebenbei geschaffen haben, begnügen. Die Sitte, statt Lammfell Zobel für die »Ohren« zu verwenden, ist aus finanziellen Gründen aus der Mode gekommen - und aus politischen: die Felle wurden früher aus Jarkand importiert, das heute im chinesischen Ostturkestan liegt. Nur noch die Königin trägt einen Zobel-Perak (den sie geerbt hat)..........“
Quelle: http://members.chello.at/manfred.schmucker/GEO_P.htm
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