Dharmapala Thangka CentreIkonographie


Tibetan Iconography

Frühe Malerein in Zentral Tibet

Technik und Materialien in der frühen zentraltibetischen Malerei

Auszug aus: Geheime Visionen - Frühe Malerei aus Zentral Tibet,
von Steven M. Kossak and Jane Casey Singer, mit einem Essay von Robert Bruce-Gardner

© by The Metropolitan Museum of Art, New York.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung

Copyright ' 1998 by The Metropolitan Museum of Art, New York.

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung

Pigmente und Farben

Die Vorbereitung der Farben war kompliziert und arbeitsintensiv, da verschiedene Pigmente unterschiedliche Anforderungen an das Zerreiben und Säubern von Verunreinigungen sowie an die notwendigen Bindemittel stellten. Abgesehen von den organischen Farben - Indigo und roter Naturfarblack - handelte es sich bei den Pigmenten um die Mineralien, die nahezu überall gebraucht wurden. Besonders auffallend ist das Fehlen von Lapislazuli, das in keiner dieser frühen Malereien nachgewiesen werden konnte und auch in der späteren tibetischen Kunst nicht vorkommt. Das im Allgemeinen grobkörnige, als Grundfarbe gebräuchliche Azurit-Blau und Malachit-Grün [beide wurden vom gleichen kupferhaltigen Mineral gewonnen] waren in der Pigmentgewinnung besonders heikel. Nach der Trennung von ihren diversen Verunreinigungen musste man sie sorgfältig zerreiben, denn je kleiner die Pigmentteile sind, umso geringer wird ihre Farbintensität. Dies erklärt, weshalb diese Farben gewöhnlich in dicken Schichten aufgetragen sind, ihre körnige, das Licht zerstreuende Oberfläche so matt aussieht und weshalb diese Felder so verletzlich sind, denn die größeren von Zwischenräumen getrennten Farbpartikel sind vergleichsweise wenig abgebunden und blättern eher ab oder werden durch Wasser oder Abreibung beschädigt.

Das am häufigsten verwendete Deckrot war Zinnober, seltener kamen die verschiedenen Farbtöne roter Erde zum Einsatz. Mennige [ein Bleioxid] und Realgar [eine Arsenfarbe], zwei orangefarbene Pigmente, sind bei flüchtigem Hinsehen zuweilen nicht unterscheidbar; sie können jedoch auch im gleichen Bild nebeneinander vorkommen, was auf eine subtile Wahl der Farben verweist. Das vorherrschende Gelb wurde aus gelber Arsenblende gewonnen und mitunter mit gelbem Ocker gemischt, das als eigenständiges Pigment selten gebraucht wurde. Indigo und roter Naturfarblack dürren vermutlich in Pulverform gekauft worden sein, denn ihre Gewinnung ist kompliziert und erfordert ein sehr spezielles Verfahren. Für roten Lack fällte man den Farbstoff, der von einem Insekt abgesondert wurde, auf ein transparentes, inaktives Substrat zu einem gebundenen Pulver, und auch bei Indigo war ein Vorgang nötig, der nach der Ernte der Pflanze die Fällung der im Blatt vorhandenen Farbsubstanz bewirkte. Indigo besitzt eine gewaltige Färbkraft. Selbst eine winzige Zugabe von diesem Blau ist in einer weißen Grundsubstanz erkennbar. Wird es in Reinform verwendet, hat Indigo die Intensität eines fein glänzenden Schwarzes; selbst Maler haben deshalb Schwarz durch Indigo ersetzt. Sind einander entsprechende Teile einer Komposition spiegelbildlich auf der einen Seite eines Bildes mit Schwarz und auf der anderen mit Indigo gemalt, kann man keinen Unterschied feststellen. Roter Naturfarblack hat eine tiefe Farbe und ist transparent. Er ist einerseits für das in den frühen Malereien immer wieder vorkommende Rosa mit Weiß gemischt worden und andererseits als Lasur über andere Farben aufgetragen worden, um diese abzutönen.

Kohleschwarz ist sehr wahrscheinlich das rußartige Produkt von verbranntem Holz oder einem anderen brennbaren Material gewesen. Das Weiß der tibetischen Malerei basiert im Wesentlichen auf Kalzium, kann jedoch wie die Grundierung eine Anzahl verschiedener inaktiver Bestandteile einschließen. Reine Kreide wird im nassen Zustand durchsichtig und ziemlich grau; nur wenn sie trocken ist, wirkt sie weiß. Wie die unterschiedlichen Abstufungen von Glanz und Mattheit in den weißen Farbpartien dieser Malereien zeigen, hat das Mischungsverhältnis mit dem Bindemittel variiert. Ob der Leimanteil von der spezifischen Eigenart des Weiß bedingt gewesen ist, bleibt noch zu klären. Gewisse weiße Farben sind aus den gleichen Gründen wie Malachit und Azurit zerstörungsanfällig. Um ihre Transparenz zu kompensieren, sind sie manchmal dick aufgetragen worden und dann abgeblättert; waren sie zu wenig abgebunden, ging ihre Adhäsion verloren, waren sie zu stark abgebunden, wurden sie spröde. Dasselbe ließe sich von allen Pigmenten sagen, doch sehr feinkörnige und sehr grobe Farbpartikel sind hinsichtlich Vorbereitung, Handhabung und Brüchigkeit am heikelsten.

Diese wenigen Pigmente, die mit durch Leim gebundenem Goldstaub weiter verfeinert wurden, brachten die prächtigen Farben der tibetischen Palette hervor, wie sie in den Malereien dieser Ausstellung zum Ausdruck kommen. Und bis zur Einführung synthetischer Pigmente aus dem Westen blieben sie noch weitere dreihundert Jahre bestimmend für die tibetische Malerei.

Eine Malpalette im herkömmlichen Sinn als eine Fläche, auf die man Farben setzt und auf der diese angemischt werden, um dann mit dem Pinsel eine bestimmte Mischung aufzunehmen, benutzten die tibetischen Maler nicht. Für die gewünschte und in die vornherein festgelegte Farbe musste jedes Pigment und jede Pigmentmischung im Voraus vorbereitet werden. Dies geschah in einem Behälter, der die jeweilige Farbmenge für die Ausführung des ganzen Bildes enthielt. Das warme Bindemittel wurde so lange hinzugefügt, bis sich das Pigment als Malfarbe benutzen ließ. Solche Farbe, die fälschlicherweise oft "Gouache" genannt wird, ist korrekter als Leim-Tempera zu bezeichnen. Gouache setzt sich aus gut deckenden, mit Gummi abgebundenen Pigmenten zusammen, was sich vom in Tibet verwendeten tierischen Leim deutlich unterscheidet. Um eine dauerhafte, optimale Qualität zu gewährleisten, musste diese ziemlich flüssige und warme Farbe so schnell und so gleichmäßig wie möglich aufgetragen werden. Wenn die Mischung abkühlte und auszutrocknen begann, musste sie nachbearbeitet werden, entweder durch erneutes Erhitzen oder durch Beifügen von heißem Wasser oder Leim, was die Konsistenz der Malfarbe allerdings veränderte.

Die Anzahl der hauptsächlichen Farben und Farbmischungen für diese Malereien war relativ begrenzt; Modifikationen erzielte man durch Glasuren mit transparenten Farben. Spätere Thangkas zeigen bedeutend mehr Abstufungen und Schattierungen eines Farbtons, vermutlich wurden sie auch in komplexer Reihenfolge aufgetragen. Anhaltspunkte für die Abfolge im Malprozess ergeben sich manchmal dort, wo sich Farbfelder überschneiden und insbesondere dort, wo Farbe abgeblättert ist und damit die untersten sowie die darüber liegenden Malschichten erkennen lassen. Einige Künstler gingen so genau vor, dass sich fast nirgends in einem ihrer Bilder verschiedene Farbflächen überschneiden, was es schwierig macht, die Abfolge im Malprozess festlegen zu wollen. Die meisten Befunde scheinen darauf hinzuweisen, dass zuerst die blauen und grünen Farbpartien der gesamten Komposition aufgetragen worden sind. Nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen ist jedoch nicht bekannt, ob die Gründe dafür pragmatischer oder ritueller Natur waren.

In einigen Fällen wurden die Farbfelder mit Aufschriften markiert, wobei entweder eine Zahl oder eine abgekürzte Silbe dem Maler die jeweilige Farbe angab, mit der ein bestimmtes Element gemalt werden sollte. Dieses Verfahren gab zu Deutungen Anlass, wonach im Anschluss an die vollendete Vorzeichnung die erste Farbschicht einem noch nicht sehr erfahrenen Gehilfen übergeben worden wäre, der dieser Angaben wie bei einem "Malen nach Zahlen" bedurfte. Das mag gelegentlich tatsächlich der Fall gewesen sein, doch dürften diese Notizen ebenso sehr auch dem Meister als praktische Anleitung für die effizienteste Ausführung der im Entstehen begriffenen Malerei gedient haben. Es war keine willkürliche oder persönliche Entscheidung des Malers, welches Bildelement beispielsweise blau gemalt wurde - diese Entscheidung folgte allgemein anerkannten und überlieferten Konventionen. Wenn etwa ein blau konzipiertes Farbfeld übersehen wurde, bedeutete dies, dass die Farbe - vielleicht erst viel später - für diese kleine Stelle im Bild erneut vorbereitet werden musste und dann vielleicht nicht mehr die genau gleiche Qualität aufwies.

Farbnotationen treten in der Regel nur bei größeren und komplexeren Kompositionen auf und in der Frühzeit scheinen nur Zahlen verwendet worden zu sein, was vielleicht auf eine damals nur begrenzt verfügbare Anzahl von Farbstoffen schließen lässt. Jene Notationen, die nachgewiesen werden können, folgen jedoch keiner exakt festgelegten Regel, wonach zum Beispiel die Nummer Drei immer Grün und die Nummer Vier stets Blau bedeutet hätte. Möglicherweise bezeichneten die Künstler auch ihre eigene Farbpalette mit Nummern, ohne einer vorgeschriebenen Konvention zu fol-sen. Die abgekürzten Wortnotizen auf späteren Malereien könnten einfach eine Reaktion auf die inzwischen breiter gefächerte Farbskala gewesen sein, die eine Referenz nur in Zahlen ungenau und kompliziert machte.

Auf den frühesten dieser Thangkas wurde die Farbe in zwei Lagen aufgetragen, die zu einer gleichmäßigen Deckintensität führten, und darüber wurden transparente Lasuren gesetzt. Dabei diente die oberste Schicht zur Ausarbeitung der Formen. Die Farbe der Grundschicht wurde abgetönt, Dekor wurde aufgesetzt, die Gesichtszüge wurden ausgearbeitet und Umrisslinien nachgezogen. Querschnitte von Proben der Farbschicht eines typischen Taglung-Porträts wie jenes des Thangpa Chenpo demonstrieren in starker Vergrößerung die im 11. und 12. Jahrhundert übliche Maltechnik. Beim ersten Beispiel von einer blauen Fläche wurde zunächst Indigo aufgetragen, über das der Maler anschließend das brillantere und kostbarere Azurit setzte. Beim zweiten Beispiel, das vom Lotossockel stammt, erscheint an der Oberfläche eine tiefrote Lasur über einer Mischung von Weiß und Lackrot des rosafarbenen Untergrundes. Wie charakteristisch ein solches Verfahren auch immer gewesen sein mag - man muss davon ausgehen, dass jedes Bild seinen eigenen, individuellen Herstellungsprozess hatt. Unterschiede und Abweichungen treten selbst in der kleinen Gruppe der ganz frühen Thangkas aus dem späten 11. und dem 12. Jahrhundert auf.


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