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Milarepa der große tibetische Heilige

Milarepas Name bedeutet etwa: „Mila, der das Baumwollgewand der Asketen trägt“. Er lebte von 1052 bis 1135, nach anderen Quellen von 1040 - 1123. Er ist der wohl berühmteste Heilige Tibets. Er empfing nach schwersten Prüfungen von seinem Meister Marpa die vollständigen Lehren der Mahamudra und der Naro Chödrug. Seine konsequente und beispielhafte Verwirklichung dieser Lehren führte zur Gründung der Kagyüpa-Schule. Die im 15. Jh. verfaßte Biographie des Milarepa mitsamt den darin enthaltenen spirituellen Liedern ist heute noch eine der großen Inspirationsquellen des Tibetischen Buddhismus. [Dt. Übersetzung: W. Y. Evans-Wentz, Milarepa. Tibets großer Yogi, Bern 1978.]

Milarepa wurde im westl. Tibet in der Provinz Gungthang in Westtibet nahe der nepalesischen Grenze geboren. Im Alter von sieben Jahren verstarb sein Vater, und vertraute den Familienbesitz der Obhut ihrer Verwandten an, die jedoch Milarepa und seine Familie sehr schlecht behandelten. Milarepas verbitterte Mutter schickte ihren Sohn weg, damit dieser Magie erlernen und damit die Übeltaten der Verwandten rächen könne. Milarepa eignete sich daraufhin die Beherrschung zerstörerischer Naturkräfte und tötete durch ein Unwetter zahlreiche Menschen.

Bald bereute er jedoch seine Verbrechen und machte sich auf die Suche nach einem Meister, der ihm behilflich sein könne, dem negativen Karma, das er angesammelt hatte, entgegenzuwirken In dem Wunsch, seine Tat zu sühnen, wandte er sich an den Nyingmapa-Lehrer Röngton, Dieser, ein Lehrer der Nyingma-Tradition, bemerkte, daß Milarepa eine Verbindung zu Marpa hatte und schickte ihn daher zu diesem Übersetzer nach Lhodrag. Mit 38 Jahren wurde Milarepa dessen Schüler, hatte aber für die Dauer von sechs Jahren nur die Stellung eines Dieners inne; während dieser Zeit unterzog Marpa ihn einer überaus harten, scheinbar grausamen Schulung, die ihn bis an den Rand seiner Kräfte und dem Selbstmord vor Verzweiflung nahe brachte. Während dieser Zeit baute Milarepa den Baubeschreibungen Marpas zufolge eigenhändig einen neunstöckigen Turm. Nach diesen Strapazen übertrug ihmMarpa all jene Lehren, die er von Naropa und anderen bekommen hatte.

Nachdem somit seine schlechten Taten gereinigt waren, bereitete ihn Marpa auf ein Leben in der Einsamkeit vor, übertrug ihm die Lehren des Naropa, und legte dabei besonderen Wert auf die Übung der „Inneren Hitze“ [tibet. Tumo]. Nur in ein dünnes Baumwollgewand gekleidet, lebte Milarepa jahrelang völlig zurückgezogen in der eisigen Kälte des Himalaya in Berghöhlen und gab sich seiner meditativen Praxis hin. Nach einer Periode von neun Jahren ununterbrochener Einsamkeit nahm er schließlich Schüler an, unter denen der Arzt Gampopa der wichtigste war, und belehrte das Volk durch seine Lieder.

Milarepa hatte Tausende von Anhängern, Frauen und Männer, die zumeist - wie ihr Lehrer - in ein Baumwolltuch gehüllt und damit praktisch nackt waren, bedenkt man das rauhe tibetische Klima. Es wird gesagt, daß das psychische Licht der Versenkung all dieser Yogis und Yoginis den Himalaya so hell erleuchtete, daß Tag und Nacht nicht mehr zu unterscheiden waren. Die Tibeter verehren besonders Milarepa als ersten gewöhnlichen Menschen aus ihrer Mitte, der ein Arhat, ein Bodhisattva und sogar ein Großer Meister wurde, d.h. ein in einem einzigen Leben zur vollkommenen Erleuchtung gelangter Buddha.

Milarepa praktizierte viele Jahre in völliger Abgeschiedenheit, meisterte die Lehren und erlangte in diesem einen Leben Erleuchtung. Dann begann er damit, andere zu unterrichten und wurde vor allem für seine poetischen Lehrgesänge bekannt. Er hatte viele berühmte Schüler, von denen Gampopa zum nächsten Linienhalter wurde. Milarepa verstarb im Alter von 84 Jahren.

Auf Darstellungen ist Milarepa leicht zu identifizieren. Seine rechte Hand ist ans Ohr gehoben. Die Bedeutung dieser Geste wird ganz unterschiedlich erklärt. Einige Autoren meinen, daß sie »die Haltung darstelle, in der er seine Gesänge der Verwirklichung vortrage« [Batchelor, 1987, S. 420]. Andere sagen, »daß sie andeuten könne, wie er den Klängen der Natur lausche, oder darauf anspielen könne, daß er sich geheimer, mündlicher Lehren bediene, die nicht niedergeschrieben, sondern mündlich von Meister zu Schüler weitergegeben wurden« [Fisher, 1974, S. 26]

Die tibetische ikonographische Tradition zeigt Milarepa für gewöhnlich so, daß seine linke Hand - entweder leer oder eine Schädelschale [kapala - einige Gelehrte sehen dieses Attribut als Schale und nicht als Schädelschale an] haltend - auf seinem Schoß ruht. Er zeigt meist ein gütiges Lächeln, das andeutet, daß er den Zustand jenseits der Anstrengung verwirklicht hat. Er sitzt entspannt in halbgeschlossener Pose, der Meditationsgurt hängt locker von der Schulter herab.

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